transfer Ausgabe 02 | 2017

Perfekt angepasst

Das neue Leitsystem der NetZulg AG

Die NetZulg AG ist eine Strom- und Wasserversorgerin mit Sitz in Steffisburg im Kanton Bern. Als im Jahr 2014 das Lebensende der bisherigen Netzleitstelle erreicht wurde, orientierte sich das Unternehmen neu am Markt. Heute verfügt die Energieversorgerin mit RITOP® über ein Netzleitsystem, das auf ihre Bedürfnisse angepasst und gleichzeitig offen für die Anforderungen von morgen ist.

Es war eine von der NetZulg AG in Eigenregie erstellte Ausschreibung, mit der die Zusammenarbeit mit Rittmeyer im Jahr 2015 begann. Ein überzeugendes Preis-Leistung-Verhältnis im Angebot und die ausgewiesene Kompetenz in der Steuerung von Wasserversorgungen besiegelten den Entscheid. Mitausschlaggebend war zudem die Nähe zu den regionalen Rittmeyer-Servicespezialisten, aber auch der Zugriff auf das Know-how des Schweizer Unternehmens in Baar. «Verfügbarhalten und immer wieder notwendige Adaptionen des Leitsystems sind ganz zentrale Aufgaben für uns. Da ist die rasche und unkomplizierte Unterstützung durch regionale Fachkräfte ein nicht zu vernachlässigendes Argument», wie Christoph Betschart, Leiter Netze bei der NetZulg AG, verdeutlicht.

Heute bietet das Netzleitsystem, das Rittmeyer realisiert hat, alle Funktionalitäten, die die NetZulg AG braucht. Angetan hatte es der NetZulg AG bei der Evaluation überdies die grafische Bedienoberfläche:

«Mit RITOP und iRITOP konnten wir uns für ein ganz neues Benutzererlebnis entscheiden.»

Christoph Betschart, Leiter Netze, NetZulg AG

Passgenaue Funktionalität

Den Umstieg auf das neue Leitsystem nutzte die NetZulg AG ausserdem für eine Bereinigung: «Bei der Auslegung des Systems haben wir jede Funktionalität und jeden Datenpunkt auf den Prüfstein gelegt», erklärt Christoph Betschart. «Wir mussten feststellen, dass wir einiges am bisherigen System selten bis überhaupt nie verwendeten. Das machte das alte System nicht nur teuer in der Anschaffung und Wartung, sondern im Grunde auch unübersichtlicher in der Bedienung.»

Das neue System wurde deshalb bewusst redimensioniert; auf Funktionalitäten, die zum heutigen Zeitpunkt keinen erkennbaren Mehrwert liefern, wurde verzichtet. «Aber wir sind sicher gut vorbereitet. Gerade in der Stromversorgung wissen wir heute ohnehin noch nicht konkret genug, welche Anforderungen in den nächsten Jahren genau auf uns zukommen», erklärt Christoph Betschart.

Fragen beispielsweise nach der Platzierung von Stromspeichern oder der Aufbau der Infrastruktur zur E-Mobilität lassen sich für ihn noch nicht beantworten. Welche Anforderungen dies dann an die Leittechnik stellen wird, ebenso wenig. Mit Rittmeyer sieht er sich jedoch auch für zukünftige Anforderungen gut verbunden, mit einem Partner, dem man auf Augenhöhe begegnen kann. Für Christoph Betschart ist dies ein entscheidender Schlüssel: «Die Beziehung zu Lieferanten muss eher enger werden. Nur so werden wir neue Anforderungen lösen können. Dabei vertrauen wir darauf, dass Rittmeyer die dann benötigten Funktionen für uns zeitgerecht realisieren und diese in das Leitsystem integrieren wird.»

«Die Beziehung zu den Lieferanten muss eher enger werden. Nur so werden wir neue Anforderungen lösen können.»

Offen für Erweiterungen

Die gesamte Kommunikation wurde im Rahmen des Umbaus konsequent in die TCP/IP-Welt migriert, die Schutztechnik mit dem IEC-61850-Protokoll in die Leittechnik eingebunden. Implementiert wurde zudem das TASE.2-Protokoll, um den automatischen Informationsaustausch mit den Leitstellen der verschiedenen Netzbetreiber, z. B. der BKW AG, zu vereinfachen. «Wichtig in allem war, dass wir uns die Zukunft nicht verbauen. Wir haben sichergestellt, dass standardisierte Schnittstellen vorhanden sind und die Kommunikation zu verschiedenen Fremdsystemen möglich ist, selbst wenn wir heute noch nicht wissen, was letztlich zur Anwendung kommt», so Christoph Betschart. Und, auch das ist der NetZulg AG wichtig, so bleiben sie unabhängig von proprietären Systemen einzelner Hersteller.

Quo vadis Stromversorger?

Bei der NetZulg AG ist man sich natürlich ebenfalls im Klaren darüber, dass sich die Anforderungen an Stromversorger eher früher als später ändern werden. «Wir beobachten aktuelle Entwicklungen und Prognosen für die nächsten 10 bis 20 Jahre sehr intensiv», erzählt Christoph Betschart. «Uns ist klar, dass sich unser Dienstleistungsportfolio verändern wird und wir in punkto Strom dann vielleicht nicht mehr nur Lieferant, sondern zunehmend ‹Versicherung› sind. Dann springen wir ein, wenn die hauseigene PV-Anlage beispielsweise im Winter den Eigenbedarf nicht mehr decken kann. Und das wiederum braucht dann möglicherweise auch neue Funktionalitäten im Leitsystem.»

(IT-)Sicherheit zentral

«Die Sicherheit der IT – und damit natürlich genauso des Netzbetriebs – war für uns im Rahmen des Neuaufbaus der Netzleitstelle ein zentrales Thema», erklärt Christoph Betschart. Obschon die vorhandene Netzwerk-Infrastruktur erst wenige Jahre alt war, entschied man sich, diese weitestgehend zu ersetzen: «Im Ergebnis eines parallel aufgesetzten Projektes mussten wir feststellen, dass das Vorhandene unsere Anforderungen an ein sicheres Kommunikationsnetz nur unzureichend erfüllt.» Schliesslich wurde ein komplett neues Netzwerk mit den bestehenden LWL- und Kupfer-Leitungen sowie Richtfunkstrecken aufgebaut, welches durch die NetZulg AG selbst betrieben wird. An allen Aussenstationen stehen nun definierte Schnittstellen zur Einbindung der Automatisierungsstationen in das Netzleitsystem zur Verfügung.

«IT-Sicherheit ist wichtig, aber man muss auch sehen, wo die Grenzen sind», sagt Christoph Betschart, und ergänzt: «Bis zu einem gewissen Grad ist eine Härtung gegen Cyberattacken und Systemausfälle möglich, aber eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Am Ende muss die Verhältnismässigkeit stimmen. Deshalb investieren wir in eine robuste Infrastruktur, aber ebenso in die Ausbildung der Mitarbeitenden.»

Der Leiter Netze schmunzelt: «Und letztlich sind wir eher konservativ unterwegs. Bei der gegenwärtigen Diskussion ‹Kupfer versus intelligente Netze›, bevorzugen wir Kupfer. So stellen wir sicher, dass unsere Stromversorgung auch bei IT-Störungen stabil bleibt.»

Partnerschaft auf Augenhöhe

«Wenn man eine neue Netzleitstelle plant, dann ist das Wichtigste natürlich ein Pflichtenheft. Aber vor allem braucht es eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Lieferanten», resümiert Christoph Betschart das Projekt. «Man muss sich einfach damit auseinandersetzen, was technisch geht und was nicht. Und da liegen die Auffassungen mitunter schon auseinander, beispielsweise was konkret spezifiziert sein muss. Aber das ist ja in jedem Projekt so.»

Bei NetZulg AG ist man jedenfalls mit dem Entscheid für RITOP und der Zusammenarbeit mit Rittmeyer zufrieden. «Natürlich gibt es Reibungspunkte, aber das ist nicht ungewöhnlich. Wichtig ist, dass wir die lösen. Und das», so Betschart, «ist dann die anspruchsvolle, aber überaus spannende Aufgabe für jeden Projektleiter.»

Bildnachweis: NetZulg AG