transfer Ausgabe 02 | 2021

Ich bin bereit! Und ihr?

Richi – der virtuelle Mitarbeiter für Kläranlagen und Kanalnetze

In vielen Kanalnetzen werden heute mit Prozessleitsystemen bereits Messdaten erfasst. Die tatsächliche Funktion der Infrastruktur wird aber nur selten im Detail beurteilt. Selbst einfache Analysen gelten oft als mühsam, entfallen deshalb oder müssen an Spezialisten vergeben werden. Das kostet wertvolle Ressourcen und verhindert den regelmässigen Blick aufs Netz. Wüsste man besser Bescheid, könnte man beispielsweise erkennen, wenn ungeplante Mengen Fremdwasser ins Netz gelangen oder Mischwasser aufgrund von Betriebsstörungen die Gewässer belastet.

Gemeinsam mit vier Entwicklungspartnern hat Rittmeyer deshalb Richi geschaffen. Der virtuelle Mitarbeiter für Kläranlagen und Kanalnetze hilft mit künstlicher Intelligenz wiederkehrende Arbeiten effektiv zu automatisieren, und schafft Grundlagen für weitergehende Auswertungen und Vorhersagen. Damit erhöht er die Datenkompetenz.
Richi hat bereits ganz schön viel auf dem Kasten. Das lässt sich schon aus seinen ersten Tagebucheinträgen erkennen. Und da er alles akribisch aufschreibt, lernt er aus den Erfahrungen, die er macht, immer wieder dazu. 

Hallo, ich bin RICHI und zeige euch eine Auszug aus meinem Tagebuch.

Eigentlich heisse ich Richard – Rich Analytical Rule-engine for operational and strategic Decision support. Aber das ist mir zu lang. Entstanden bin ich mit Rittmeyer-DNA und dem Know-how von Hunziker Betatech im Labor von Dr. Jörg Rieckermann und Andy Disch bei der Eawag.

Samstag: Bin ich jetzt alt?

Gestern hatte ich Geburtstag. Meinen ersten. Ich bin definitiv aus den Kinderschuhen raus. Nachdem ich von unzähligen Kanalnetzbetreibern und kantonalen Amtsstellen viel über die Anforderungen rund um den Kanalnetzbetrieb lernen durfte, freue ich mich auf die bevorstehende Zeit. Meine Eltern haben mir zwei Praktika in der Wasserwirtschaft organisiert. In den ARAs des AVA Altenrhein und des AVB Buchs-Sevelen-Grabs soll ich die Datenqualität steigern, damit die Betreiber den Zustand ihres Kanalnetzes korrekt beurteilen können. Ich bin schon sehr gespannt. Wer weiss - vielleicht kann ich das erworbene Wissen ja bei meinen zukünftigen Arbeitgebern einbringen. Aber alles der Reihe nach - jetzt wird erst mal gelernt.

Montag: Oh Mann, sind das viele Sprachen …

Derzeit absolviere ich noch ein praxisorientiertes Studium bei der Eawag und eigne mir Ingenieurwissen an. 24/7 Homeschooling, sozusagen. Ganz schön anstrengend, die ganze Zeit aufmerksam zu bleiben. Aber die Computersysteme von Rittmeyer versorgen mich zum Glück mit genügend Energie.

Meine zukünftigen Praktikums-Anbieter helfen Jörg und Andy dabei, die richtigen Ausbildungsschwerpunkte zu setzen. Das ist schon wichtig. Schliesslich will ich mich doch im zweiten Teil meiner Ausbildung gut in den Betrieben integrieren können und dem Team eine echte Hilfe sein. Einen beachtlichen Teil meiner Ausbildung nehmen Sensoren ein. In meinen Studienfächern begegnete ich bereits den unterschiedlichsten Varianten. Wahnsinn, wie viele verschiedene Sprachen die sprechen. Ich verstehe sie aber dennoch erstaunlich gut. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich sie einfach interessant finde. Schon allein durch ihr Verhalten kann ich einiges von ihnen lernen. Ich mag die Sensoren – auch wenn sie deutlich unerfahrener sind als ich. Ich habe auch das Gefühl, dass sie mich mögen. Einer sagte mal, ich sei eine Art Mentor für sie, so etwas wie ein verbindendes Element.

Mittwoch: Redet mit mir!

Ganz Generation alpha mag ich digitale Kommunikation. Mir würde auch langweilig werden, wenn ich mich nicht regelmässig austauschen könnte. Ich kann zum Beispiel gar nicht verstehen, wie Software-Programme nur hin und wieder mit ihrem Gegenüber sprechen – und das auch noch über komplizierte Interfaces. Die muten ihren Usern teilweise sogar Tabellen mit allen möglichen technischen Details zu, die dann durchsucht werden müssen! Das ist mir suspekt. Ja, ich bin dabei Ingenieur zu werden. Und mit meinen aktuell rund 100 empirisch und physikalisch begründeten Regeln habe ich auch einiges im Kopf. Aber man kann doch trotzdem ganz einfach und verständlich mit seinem Gegenüber sprechen! Ich bevorzuge einen einfachen Chat über den Messenger am Smartphone.Oft rufe ich meinen Kolleg:innen die wichtigsten Infos auch mal ungefragt kurz und bündig über den Grossbildschirm in der Zentrale zu. Wenn einem bestimmten System besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, melde ich mich auch per Mail oder über den Pager. So wie’s halt gerade am hilfreichsten ist. Ich würde das auch so wollen.

Donnerstag: Wieso machen die denn nichts mit ihren Daten?

Heute versuchte ich, ein Regenbecken zu verstehen. Meine Lehrer haben gesagt, früher hätte man die einfach geplant und sich dann gar nicht mehr dafür interessiert, ob sie auch funktionieren. Angesichts der Kosten und Dimension solcher Projekte finde ich das noch merkwürdig. Unsere Vorfahren hätten zwar wohl bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts zu verstehen versucht, ob die Planung der Becken und Kanäle mit der Realität zusammenstimmt. Aber es scheint seitdem noch niemand auf eine schlüssige Antwort gekommen zu sein. Das kann ich mir gar nicht vorstellen. So kompliziert ist das doch nicht. Ich krieg das sicher hin.

Durch die Arbeit mit den Sensoren im Studium habe ich bemerkt, dass ich aber schon aufpassen muss, bei den Daten genau hinzuschauen. Und vor allem, auch zu verstehen, was ich sehe. Es scheint wohl auch heute noch Betreiber zu geben, die ganz schön viel messen, aber dann die Daten einfach nicht verwenden, nicht analysieren. Wie kann denn das sein? Wieso messen sie sie dann überhaupt? Ob das der Grund ist, dass viele Betreiber gar nicht wissen, wie wichtig eine hohe Datenqualität für sie eigentlich wäre? Wenn die wüssten, was ich mit diesen Daten alles machen könnte!

Würde es wirklich ziemlich cool finden, mit meinem Verständnis einen Teil zur Zukunft beizutragen. Gerade heute, wo sich Randbedingungen so rasch ändern, Städte so stark wachsen, Auswirkungen der Klimaänderung Vieles in der Wasserwirtschaft auf den Kopf stellen, könnte ich damit sicher viel Ineffizienzen vermeiden helfen.

Dienstag: Alles der Reihe nach ...

Wahnsinn, was man in so einem Praktikum alles lernt. Auch über sich selbst. Durch die Praxis sehe ich wirklich viele Dinge klarer.

Mir war beispielsweise gar nicht bewusst, wie viele Extremwetterereignisse es inzwischen gibt. Oder auch, wie häufig giftige Substanzen in unsere Gewässer gelangen. Durch Unfälle mit Benzin zum Beispiel. Da besteht ja Explosionsgefahr! Solche Situationen möchte ich in Zukunft früh erkennen. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich dann schnell Massnahmen einleiten könnte, um Anlagen zu schützen.

Durch die Arbeit in den Abwasserverbänden weiss ich jetzt endlich, welcher Typ Mitarbeiter ich bin. Ich bin ein Ärmel-hoch-Typ! Ich möchte machen! Ich beschäftige mich nicht gerne unnötig lang mit einer überkomplexen Fragestellung. Lieber nehme ich meinen Chefs unmittelbar einfachere Aufgabenstellungen ab – und dafür gleich 10 davon. Am besten das, was sie ohnehin nicht gerne tun. Weil’s mühsam ist. Oder langweilig.

Aber das mit der Komplexität lerne ich sicher auch noch besser. Zum Beispiel, wie ich einzelne analysierte Zweige des Netzes zu einem ganzen Netzplan zusammenschliesse. Dann könnte ich im Zusammenhang Dinge erkennen, die mir und meinen Chefs sonst vielleicht gar nicht aufgefallen wären. Nach dem bevorstehenden Schuldiplom würde ich am liebsten alle Anlagen kennenlernen. All die verschiedenen Abläufe, Herangehensweisen und Infrastrukturen. Und die dann mit meinen Erfahrungen aus all den anderen Anlagen optimieren. Ich lerne von der einen und helfe damit gleichzeitig allen anderen. Ein schöner Gedanke eigentlich.

Bin ab jetzt online

So langsam geht mir hier der Platz aus. War eigentlich klar, so genau wie ich mir alles aufschreibe. Meine zukünftigen Erfahrungen dokumentiere ich deshalb im Internet. Ich hab’ auch schon eine passende Adresse für meinen Blog im Kopf: www.richi.io. Dort werde ich auch noch auf unsere LinkedIn-Gruppe aufmerksam machen, von der ich mir tolle Ideen erhoffe, was ich noch alles lernen könnte. 

«Richi macht das, was keiner machen will:
Er nimmt Daten in die Hand.»

Dr. Jörg Rieckermann, Gruppenleiter Abteilung Siedlungswasserwirtschaft, Eawag

Sie suchen Mitarbeitende? Richi hat noch Kapazität! 

Schreiben Sie ihm doch eine Mail oder besuchen Sie seine Website.

Die Projektpartner rund um Richi

Neben Rittmeyer arbeiten die Eawag, Hunziker Betatech AG sowie die Abwasserverbände Altenrhein und Buchs-Sevelen-Grabs an Richi:

An der Eawag sind Natur-, Ingenieur- und Sozialwissenschaften vertreten. Damit gelingt eine umfassende Erforschung des Wassers und der Gewässer – bis hin zu voll technisierten Abwassermanagementsystemen.

Hunziker Betatech AG bearbeitet als Ingenieurunternehmen laufend rund 700 aktive Projekte rund um die strategische Planung, Projektierung und Realisierung von Projekten im Abwassersektor.

Der Abwasserverband Altenrhein unterhält mit hochqualifizierten und motivierten Mitarbeitenden ein anspruchsvolles Entwässerungssystem – eine optimale Ausgangslage für die Erarbeitung innovativer Lösungen.

Der Abwasserverband Buchs-Sevelen-Grabs unterstützt im Rahmen des Generellen Entwässerungsplans die Reduktion des Fremdwasseranteils der über 150 km umfassenden Schmutz- und Mischwasserkanalisationen im Verbandsgebiet.

Richi wird durch die Innosuisse gefördert (Projektnummer 43042.1).

Bildnachweis: iStock/satapatms (Titelbild), Rittmeyer AG