transfer Ausgabe 01 | 2021

Hürdenlauf

Bau eines Fernwärmenetzes auf ‹grüner Wiese›

Die Energie Ausserschwyz AG (EASZ) baut derzeit am grössten Energieprojekt der Region: Ab 2022 ergänzt ein Holzheizkraftwerk die bestehende Biomasseanlage und versorgt die Regionen Höfe und March im Kanton Schwyz mit Fernwärme. Das ambitionierte Vorhaben ist auf gutem Weg, war jedoch kein einfaches Unterfangen, wie uns Geschäftsleiter Dr. Urs Rhyner erzählt.

Seit bald 20 Jahren betreibt die Familie Züger auf ihrem Landwirtschaftsbetrieb in Galgenen eine Biogasanlage, die aus Biomasse Strom produziert. Die dabei entstehende Abwärme wird zur Wärmeversorgung der umliegenden Gebäude genutzt. Bereits 2008 entstand die Idee, mit einer zusätzlichen Heizzentrale einen Fernwärmeverbund für die Region zu entwickeln. Elf Jahre sollte es schliesslich dauern, bis die Baugenehmigung für das Holzkraftwerk, in dem Alt-, Rest- und Waldholz aus der Region verfeuert wird, vorlag. «Um ein solches Projekt zu realisieren, dauert es in der Schweiz einfach lange, im Grunde zu lange», resümiert Urs Rhyner, der seit einem Jahr das Unternehmen leitet. Man benötigt entsprechende Bauzonen, Bewilligungen, und die Finanzierung, was sich als sehr aufwändig darstellt.

«Es gibt nur eines: bauen, bauen, bauen. Wenn man zuwartet, bis die Anschlüsse gesichert sind, dann baut man nie.»

Dr. Urs Rhyner, Geschäftsleiter der Energie Ausserschwyz AG

Bewilligungen als grösste Herausforderung

Die grössten Hürden für den Bau stellen für den Geschäftsführer die notwendigen Bewilligungen dar. Mitunter müssen siebenstellige Beträge in Vorprojekte investiert werden, bis alle Instanzen durchlaufen sind. Einsprachen gegen das Bauvorhaben sind abzuarbeiten, was Zeit und Anwaltskosten verschlingt. Flächen müssen umgezont, Umweltverträglichkeitsberichte erstellt werden. «Da geht sehr viel Zeit ins Land», erklärt Rhyner. Das benötige Durchhaltevermögen und vor allem die Bereitschaft, bei einem ungewissen Ausgang sehr viel zu investieren. Ein «Huhn-Ei-Problem», wie er es nennt. Denn die Mittel werden von den Finanzgebern nur gesprochen, wenn Anschlüsse vertraglich gesichert sind. «Das ist blasse Theorie, und in der Realität nicht möglich», so Rhyner. Und für ihn einer der Gründe, weshalb es so wenige Wärmeverbünde in der Schweiz gibt. «Das sind Killerauflagen.»

Fernwärmenetze als Schlüsseltechnologie

Wenn man von der Konvergenz der Netze spreche, dann sei die Fernwärme eine der Schlüsseltechnologien auf dem Weg in die Energiezukunft. Um die Verstromung von Biogas oder Wasserstoff effizient zu machen, müsse man die bei der Produktion entstehenden grossen Mengen an Abwärme nutzen, meint Rhyner: «Die Grundvoraussetzung dafür ist jedoch, dass es Fernwärmenetze gibt.» Aus dieser Perspektive betrachtet ist er der Auffassung, dass sich der Bund stärker engagieren könnte, damit mehr entsprechende Projekte realisiert werden. Rhyner sieht eine Chance, wenn man das Risiko teilen würde. Ein Modell hierzu stellt für ihn eine öffentlich-private Partnerschaft dar (engl. Public-Private-Partnership). Hierbei würde beispielsweise der Bund für ein Drittel der Summe eine Bürgschaft oder eine Risikogarantie abgeben, ein weiteres Drittel steuern Bank oder Investoren bei, und ein Drittel der Betreiber mit entsprechendem Aktienkapital.

Strategische Partner

Mit der EW Höfe AG hat die EASZ einen wichtigen Partner an ihrer Seite. Für diesen bot sich die Chance, in den CO2-neutralen regionalen Wärmemarkt einzusteigen und eine zuverlässige und nachhaltige Alternative zu fossilen Energieträgern anzubieten. Mit BRUGG Group AG konnte ein strategischer Industriepartner als Teilhaber gewonnen werden, und inzwischen hat Rhyner auch eine grosse Schweizer Bank als Finanzierungspartner gefunden. «Das schafft bei unseren Kunden noch mehr Vertrauen», sagt Rhyner. Mit der gesicherten Finanzierung kann er nun das ambitionierte Projekt mit Hochdruck vorantreiben. Das Heizwerk wächst derweil rasch in die Höhe. «Auch das hilft», schmunzelt Rhyner. «Die Bevölkerung nimmt wahr, dass da etwas Grosses, Seriöses entsteht – und die Fernwärmeversorgung nun tatsächlich Realität für die Region wird.»

Begeisterte Kunden

Grossen Rückhalt bekommt das Projekt von der Bevölkerung. Das Interesse an Anschlüssen mit erneuerbarer Fernwärme ist sehr gross. Für Liegenschaftsbesitzer ist Fernwärme ein sehr bequemes Wärmesystem. Es benötigt weder Brennstoffeinkauf und Lagerraum noch Unterhalt. Und es ist sehr platzsparend: Ein Kästchen mit dem Wärmetauscher ist alles, was es braucht. «Noch einfacher – und obendrauf erneuerbar – geht es nicht mehr», meint Rhyner.

Fernwärme ‹anschieben›

Steigen Hauseigentümer von einer Erdöl- oder Erdgasheizung auf die Fernwärme um, so erhalten sie vom Kanton Schwyz Förderbeiträge. Das helfe, so Rhyner, deren Initialkosten zu reduzieren. Aber auch die Gemeinden seien gefordert, indem sie zumindest ideell solche Projekte unterstützen, und sie nicht blockieren. Seine Erfahrungen sind da zwiegespalten: «Wenn man glaubt, Gemeinden würden es würdigen, wenn man von privater Hand Infrastruktur bringt, von der die Gemeinde und ein grosser Teil der Bürger profitieren kann, dann könnte man falsch liegen.» Er geht davon aus, dass das CO2-Gesetz nach seiner Verabschiedung die kantonalen MuKEn (Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich) aushebelt. Bei jenen hat Schwyz derzeit ohnehin nur das absolute Minimum umgesetzt. Ihm geht das zu langsam: «Das Potenzial ist riesig, die Technologie ist da. Sie ist einfach, erprobt und preiswert. Man muss es nur umsetzen», sagt Rhyner.

«Die Technologie ist einfach, erprobt und preiswert. Man muss sie nur endlich umsetzen.»

EASZ ist speziell

Viele Fernwärmeverbünde starten im Kleinen, vom Schulhaus oder Gemeindehaus ausgehend, erschliessen Quartier für Quartier, wachsen so organisch. Anders beim Netz der EASZ: Hier wurde von Beginn an ein grosses Gebiet definiert, welches quasi flächendeckend erschlossen werden soll. Vorbild war die Agro Energie Schwyz AG. Dort hat man rasch ausgebaut, und mit dem Ausbau kamen auch die Anschlüsse. «Es gibt nur eines: bauen, bauen, bauen. Wenn man zuwartet, bis die Anschlüsse kommen, dann baut man nie», sagt Urs Rhyner. Wichtig sei aber, dass man weit im Voraus diese Ziele kommuniziere. Dann könnten sich Hauseigentümer darauf einstellen, gerade im Hinblick darauf, wenn sich ein Ersatz der Heizung ohnehin aufdränge.

Für die erste Etappe hat die EASZ 300 Mio. Schweizer Franken budgetiert, der Netzausbau ist über 24 Jahre geplant. Dieses Budget umfasst das Erschliessen der Quartiere, das Kraftwerk, sowie ein zweites, falls der Anschlussgrad rasch steigt. Etwa die Hälfte der Kosten verschlingt allein das Netz. In der ersten Etappe sind 3'000 Abnehmer geplant, was einer Anschlussdichte von über 60 Prozent entspricht. «Das geht, davon sind wir überzeugt», sagt Rhyner, wieder mit dem Blick zur Agro Energie Schwyz. Dort konnten in 10 Jahren über 50 Prozent der Gebäude an die Fernwärme angeschlossen werden.

Vision ist greifbar

Fragt man Urs Rhyner nach den weiteren Plänen, dann erzählt er von der Vision der EASZ und den Ausbauetappen zwei und drei: Sie beschreiben im Endausbau die Wärmeversorgung von 14 Dörfern der Region Ausserschwyz und rund um das Energiezentrum in Galgenen. Immerhin eine Fläche von gegen 100 Quadratkilometern. «Wenn zur Umsetzung des Klimaschutzes zukünftig bei Gebäuden der CO2-Ausstoss pro Quadratmeter Energiebezugsfläche limitiert ist, dann wird dies nur mit erneuerbaren Energien gelingen», ist Rhyner überzeugt. Und dann rückt die Erschliessung eines solch grossen Gebiets mit Fernwärme für die EASZ in greifbare Nähe.

Bildnachweis: iStock/armckw (Titelbild), Energie Ausserschwyz AG