transfer Ausgabe 01 | 2021

Gemeinsam stark

Der Energieverbund als Schlüssel zum Erfolg

Wie kann es gelingen, die Wärmeversorgung ökologisch und wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu gestalten? Christian Holzinger, Geschäftsführer der österreichischen aqotec GmbH, spricht mit uns über sinnvolle Lösungen für die Fernwärme aus Sicht des Planers, Anlagenbauers – und vor allem des Betreibers.

Im Verbund arbeiten

Fernwärme ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Energiewende. Der Betrieb solcher Anlagen ist jedoch nicht einfach vergleichbar mit dem eines Stromversorgers: Engineering und Technik, insbesondere im Leitungsbau, sind aufwändig, der Personalaufwand ist höher, die Deckungsbeiträge eher gering. Umso mehr suchen Betreiber nach Möglichkeiten, ihre Wärmeverbunde effizienter zu betreiben. Der wichtigste Ansatz dabei ist es, die Wärmeverteilung im Gesamten zu betrachten – von der Erzeugung bis zum letzten Verbraucher.

«Der Schlüssel zum Erfolg ist ein Energieverbund aus der Kombination von Bestands- und Neuanlagen, die energetisch gut harmonieren.»

Christian Holzinger, Geschäftsführer aqotec GmbH


Insbesondere Verbunde mit mehreren Einspeisern haben hierbei Potenziale. Abhängig von den aktuellen Anforderungen im Netz und den tariflichen Möglichkeiten führt man die Einspeiser strom- oder wärmegeführt, überschüssige Wärme wird bei den Kunden dezentral oder an den Erzeugeranlagen zentral gespeichert. Für den reibungslosen Betrieb eines solchen Verbunds muss jedoch alles perfekt aufeinander abgestimmt sein. Dafür braucht es eine gute Planung und entsprechend clevere technische Lösungen.

Durch geschickte Kombination verschiedenster Erzeuger, beispielsweise klassische Holzfeuerung, Biomasse oder industrielle Abwärme, lassen sich einzelne Anlagen besser auslasten und dadurch auch wirtschaftlicher betreiben. «So nutzt man immer jene Energieform, welche man zu einem gegebenen Zeitpunkt günstig beziehen kann oder welche im Überschuss an anderer Stelle vorhanden ist», erklärt Christian Holzinger. Je nach Situation, Jahresbedarf oder Jahresganglinie wird entschieden, nach welchen Kriterien die Erzeugungsanlagen zugeschaltet werden.

Interessenskonflikte verursachen mitunter Blockheizkraftwerke (BHKW), welche in den Hochtarifphasen stromgeführt betrieben werden. So bleiben nur kurze Betriebszeiten zur Wärmeproduktion. Deshalb benötigt es Pufferlösungen, und die Deckung der Wärmeenergie aus anderen Quellen.

Bestehende Strukturen nutzen

«In einem gut besiedelten Gebiet ist es gar nicht so schwierig, einen Energieverbund aufzubauen», meint Holzinger. Gerade in städtischen Regionen gäbe es bereits bestehende Erzeugungsanlagen, die weiter genutzt und eingebunden werden könnten. Als Beispiel nennt er eine Schule, die über eine autonome Gaskesselanlage geheizt wurde, und nun an das Nahwärmenetz angeschlossen ist. Die bestehende Kesselanlage wurde nicht demontiert, sondern aufs Netz geschaltet. Sie ist schnell am Netz und dient als Backup. «Solche Anlagen sind nicht für den primären Wärmebedarf gedacht, aber man kann damit zum Beispiel Spitzen abdecken oder auch die Auslastung anderer Anlagen optimieren», sagt Christian Holzinger. Die kleine Anlage kann beispielsweise im Sommer bei geringem Wärmebedarf wirtschaftlicher betrieben werden als eine Biomasseanlage, die eine konstante Auslastung benötigt. Und im Winter, bei hohem Energiebedarf, kann der Kessel für ein oder zwei Stunden dazu geschaltet werden, um die Spitzenlast abzudecken. «Je nach Situation der verschiedenen Verbunde bzw. der regionalen Gegebenheiten ergeben sich die unterschiedlichsten Modelle», erklärt der Fernwärme-Fachmann.

Einspeisungen bestehender Strukturen, wie Gaskessel, BHKWs, Biomasse oder Industrieabwärme, weisen zudem einen hohen Standardisierungsgrad auf. So lassen sich diese Anschlüsse leicht und kostengünstig in das bestehende Regelwerk eines Verbunds integrieren.

Für den Betrieb planen

Es empfiehlt sich, bereits bei der Planung den späteren Betrieb einer Heizzentrale vor Augen zu haben. So lohnt es sich mitunter, gerade in ländlichen Gebieten, die geodätische Struktur der Region bei der Standortwahl und beim Aufbau der Heizzentrale zu berücksichtigen.

«Um den Betriebsaufwand bei kleinen Netzen zu reduzieren, ist es beispielsweise sinnvoll, die Biomasse-Anlage an einem Hügel zu bauen, statt auf dem flachen Land», rät Holzinger. Dadurch ergeben sich zahlreiche Vorteile: Die Hackschnitzel können oben angeführt und direkt in den Bunker eingekippt werden. In der Mitte wird die Heiztechnik verbaut und unten fällt die Asche in Container, die einfach abtransportiert werden können. So werden keine aufwändigen Fördereinrichtungen oder sonstige Maschinen, wie Radlader, benötigt, welche nicht ohnehin bereits vorhanden sind. Denn oftmals wird der zuliefernde Landwirt gleich in den Betrieb der Anlage eingebunden: Nach der Anlieferung der Hackschnitzel nimmt er mit seinem Traktor die Aschecontainer zur Entsorgung mit. Dadurch wird der Betrieb sehr effizient, lässt sich mit einfachen Mitteln bewerkstelligen – und spart Kosten. Fachpersonal wird nur noch im Fall von Revisionen oder bei gravierenden technischen Problemen benötigt.

Ein vernünftiges Miteinander

«Neben einem vernünftigen Miteinander in der Energieversorgung, braucht es für die gewünschte Nachhaltigkeit auch mehr politische Unterstützung», sagt Holzinger. Dabei steht es für ihn ausser Frage, dass die Industrie für ihre Prozesse eine Gasversorgung benötigt. Man dürfe aber durchaus die Frage stellen, ob benachbarte Gebäude ebenfalls mit Gas beheizt werden müssen, oder nicht doch von der Abwärme des Industriebetriebs profitieren könnten. «Hier entsteht ein Wettbewerb, den die Fernwärme rein wirtschaftlich nicht gewinnen kann», ist Holzinger überzeugt. Dieses Dilemma könne nicht ohne den politischen Willen von Städten und Regionen gelöst werden. Dazu müssten dann ebenso ökologische Aspekte und das Thema Nachhaltigkeit in die Überlegungen zur Wärmeversorgung miteinbezogen werden. «Es ist nicht besonders verantwortungsvoll, Industrieabwärme ungenutzt in die Luft zu blasen. Wir haben nur eine Erde, und mit der müssen wir ressourcenschonend umgehen. Und nicht fossile Energie verbrennen, nur weil es wirtschaftlich interessanter ist», betont Holzinger.

«Man muss das grosse Ganze sehen. Wir haben nur eine Erde und mit der müssen wir ressourcenschonend umgehen. Und nicht fossile Energie verbrennen, nur weil es wirtschaftlich interessanter ist.

Aus dem Betrieb gelernt

Seit mehr als 20 Jahren entwickelt, projektiert und liefert die aqotec GmbH Lösungen für die Übertragung und Verteilung thermischer Energie in Fern- und Nahwärmeprojekten. Als Planer und Betreiber eigener Anlagen hat das Unternehmen natürlich einen grossen Vorteil: «Wir lernen im Betrieb, und testen quasi ‹live›», schmunzelt Holzinger. Die Planungsingenieure sind massgeblich in den Betrieb der eigenen Anlagen involviert, erkennen dadurch mögliche Schwachstellen und lassen diese Erfahrungen unmittelbar in die Produktentwicklung einfliessen. «So gibt es viele Details, die wir in unseren Projekten gelernt haben und auf die wir bei der Planung und Umsetzung für unsere Kunden achten», sagt Holzinger nicht ohne Stolz. Dieses Know-how schätzen Kunden und es differenziert aqotec vom klassischen Anlagenbauer und Planungsbüro. Zudem kommt es 1:1 dem noch jungen Joint Venture Rittmeyer aqotec zugute.

Vorsicht mit zu viel Bürokratie

Einen Aspekt möchte Holzinger abschliessend nicht unerwähnt lassen: die bürokratischen Hürden, welche für die Fernwärme zum Teil recht hoch sind. Betreiber würden oftmals gerne das Netz ausbauen, sähen jedoch aufgrund des zu erwartenden bürokratischen Aufwands davon ab. «Regulatorien sind für eine Vergleichbarkeit wichtig, gerade wenn Fördermittel fliessen. Man sollte diese aber nicht so kompliziert gestalten, dass sie das Engagement und den Willen interessierter Betreiber am Ende bremsen.»

Bildnachweis: iStock/elenabs (Titelbild), iStock/armckw (Titelbild), aqotec GmbH