transfer Ausgabe 02 | 2020

Möglichkeiten nutzen

Fällmitteldosierung ‹in Echtzeit› – und mehr

Erst wenn es «nicht mehr besser geht», ist der Klärmeister der ARA Bregaglia, Roland Valentin, zufrieden. Deshalb sucht er ständig nach Optimierungs­möglichkeiten für den Betrieb seiner Anlage. Viele Ideen, eine ausgeklügelte Messtechnik und RITUNE® helfen ihm dabei.

Bregaglia ist eine Gemeinde in der Region Maloja im Schweizer Kanton Graubünden. Sie zählt rund 1'600 Einwohnerinnen und Einwohner und entstand 2010 aus der Fusion der Gemeinden Bondo, Castasegna, Soglio, Stampa und Vicosoprano.

Sanierung der Abwasserbehandlung

Eines der grössten Projekte nach dem Zusammenschluss der Gemeinde stellte die Sanierung der Abwasserbehandlung ihres Einzugsgebietes dar. Zwei der drei vorhandenen Kläranlagen waren 50 Jahre alt, diejenige in Stampa, eine Tropfkörperanlage, 12 Jahre. Zudem fehlte einzelnen kleineren Dörfern bis dato der Anschluss an das Kanalnetz.

Die Ausgangslage dazu konnte in der bergigen Region kaum schwieriger sein. Luftlinie gemessen beträgt der Abstand zwischen dem auf 1'810 m. ü. M. gelegenen Maloja und dem tiefsten Punkt in Stampa (994 m. ü. M.) mehr als 12 Kilometer. Dazwischen galt es, viele kleine abgelegene Weiler und Bergdörfer zu erreichen. Rund 5 Mio. Schweizer Franken mussten für den Umbau und die Erweiterung des Kanalnetzes budgetiert werden.

Die Abwasserbehandlung selbst wird neu in Stampa konzentriert. Für rund 9 Mio. Schweizer Franken wurde die dort bestehende Anlage in eine moderne, 4-stufige Kläranlage mit mechanischer, biologischer, chemischer und Filtrationsstufe umgebaut, wobei die vorhandenen Bauten so gut als möglich wiederverwendet wurden. Die Kläranlage in Vicosoprano wurde zum Regenrückhaltebecken umgebaut, auf dem Gelände der ehemaligen ARA Maloja entsteht ein Abwasserpumpwerk.

«Rittmeyer hat die Methoden, der Klärmeister die Praxis. Aus dem Miteinander entstehen neue Ideen zur Optimierung.»

Roland Valentin, Klärmeister und Betriebsleiter der ARA Bregaglia

Neue Leittechnik

Mit dieser Anlagensanierung wurde auch in eine neue RITOP-Leittechnik investiert: «Wir verwenden die Rittmeyer-Technik bereits in unserer Wasserversorgung und sie hilft uns nun auch auf der ARA, den Aufwand im Betrieb zu reduzieren», stellt Betriebsleiter Roland Valentin fest. Es sind nur er und sein Kollege Stefano Salis, Brunnenmeister in Bregaglia, die sich die Pikett-Aufgaben teilen können. «Eine zuverlässige Automatisierung und Fernüberwachung ist für uns essenziell, auch aufgrund der Topografie des Bergell und damit verbunden der oftmals schlechten Erreichbarkeit der Standorte», bestätigt Roland Valentin.

Mit der neuen Leittechnik entschied sich die ARA Bregaglia auch für die Optimierungssoftware RITUNE®, primär als Werkzeug für das Berichtswesen und zur Visualisierung von Prozessen und Reinigungsgüte. Das Pumpenüberwachungsmodul hilft inzwischen dabei, unerwünschte Betriebszustände frühzeitig zu erkennen. So erleichtert es die Wartungsplanung und reduziert Kosten.

Die Anlage «weiterbringen»

Die Möglichkeiten von RITUNE haben Roland Valentin rasch überzeugt und so suchte der findige Klärmeister nach weiteren Einsatzmöglichkeiten. «Wir haben in der Baukommission der Gemeinde klar entschieden, dass wir jegliche Anstrengung unternehmen wollen, um die für den Anlagenbetrieb notwendigen Ressourcen zu optimieren», sagt Valentin. Das seien aber keinesfalls Optimierungen um der Optimierung Willen. Sie sollten nur dort umgesetzt werden, wo ein tatsächlicher Mehrwert entstehe. So habe man sich beispielsweise auch gegen eine Turbinierung des Klärgases in einem BHKW entschieden, weil die mögliche Stromproduktion der kleinen Anlage in keinem Verhältnis zu den Kosten für Turbine und Generator stünde.

Fällmittel und Kosten runter

Aus der intensiven Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten von RITUNE entstand mit der Optimierung des Fällmitteleinsatzes schliesslich ein erstes Projekt. Ziel war es, den Phosphor-Wert am Auslauf im Rahmen der Einleitbedingung zu minimieren, dazu die Verwendung des Fällmittels zu optimieren und so Kosten zu sparen. «Wir haben viel miteinander diskutiert, Ideen entwickelt und auch manchmal wieder verworfen», erinnert sich Simon Kramer, Leiter RITUNE bei Rittmeyer. Valentin schätzt die Begegnung auf Augenhöhe mit den Umweltingenieuren von Rittmeyer: «So etwas gelingt nur gemeinsam, und dann muss man sich auch aufeinander zubewegen. Letztlich wachsen beide Seiten daran.»

«Man muss sich aufeinander zubewegen.»

Echtzeit-Dosierung

Vereinfacht gesagt berechnet RITUNE nun laufend die ideale Dosierung des Fällmittels in der Biologie. Dazu kombiniert die Software die bereits für das Reporting erfassten Laborwerte mit den Prozessparametern aus der Leittechnik. «Wir messen den chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) mit einer Sonde im Auslauf des Vorklärbeckens. Bei einer Erhöhung des CSB-Wertes geht man davon aus, dass bei derselben Fällmitteldosierung der Phosphor-Anteil am Auslauf zunehmen würde», erklärt Simon Kramer. Mit diesen Kennwerten wird nun die ‹Echtzeit-Dosierung› gesteuert. Die der Steuerung dabei zugrundeliegende Stützpunktkurve wird ausserdem alle vier Tage automatisch nachkalibriert, sobald neue Laborwerte zum Phosphorgehalt Ptot am Auslauf ins Laborjournal eingegeben wurden. In einem eigens dafür zusammengestellten Dashboard sieht der Klärmeister alle Parameter im Überblick.

Ausgetüftelte Sondenreinigung

Eine CSB-Sonde misst über die Breite eines Messspaltes, der vom Abwasser umspült wird, die Abschwächung der UV-Lichtintensität. Ein Wischer soll die Verschmutzung des Messfensters verhindern. «Wenn man die CSB-Sonde in der Vorklärung eingesetzt, dann genügt dessen mechanische Reinigungswirkung jedoch nicht», sagt Roland Valentin. Mit der Zeit entstünde ein Biofilm, welcher einen Messwertdrift verursache. Damit dies nicht geschieht, gab Valentin den Anstoss, eine automatisierte chemische Reinigung zu entwickeln: Alle drei Stunden wird nun die Sonde mit Phosphorsäure und Druckluft gesäubert.

Die nächsten Ideen

Der Betriebsleiter ist von RITUNE und seinen Möglichkeiten angetan. Schon schwirren ihm dazu die nächsten Ideen zur Verbesserung ‹seiner› ARA im Kopf herum. Das sei wahrscheinlich die Optimierung der Biologie-Belüftung. Die Messwerte des Ammonium-Analysators sollen dann dabei helfen, den Energiebedarf des grössten Verbrauchers auf der Anlage zu reduzieren. Wer sich für den Betrieb interessiere, suche immer nach Optimierungspotenzialen, meint er. «Ich gebe mich nicht mit dem Minimum zufrieden. Und wenn ich das Gefühl habe, da könnte man etwas noch besser machen, dann versuche ich das.» Mit RITUNE hat Valentin dazu jedenfalls das richtige Werkzeug.