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Modernisierung des Kraftwerks Rheinau

Das Kraftwerk Rheinau ist eines von 11 Flusskraftwerken am Hochrhein an der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz. Die Maschinengruppen erhalten im Rahmen einer Erneuerung neue Prozessstationen. Gleichzeitig wurde der Schutz der Operativen Technologie (OT) verbessert. Die Lösungen dazu lieferte ebenfalls Rittmeyer.

Ein knapp 120 m langes und im Grundriss gekrümmtes Wehr beim Kraftwerk Rheinau staut den Rhein am Fusse des Rheinfalls und reguliert den Wasserstand im Rheinfallbecken entsprechend den wechselnden Abflussmengen und Fliessgefällen. Für das Kraftwerk entsteht damit ein wirksamer Aufstau von durchschnittlich 6 Meter. Die hinter dem Wehr liegende Rheinschleife ist in Folge durch zwei Hilfswehre auf die früheren, mittleren Wasserstände aufgestaut.

«Bei der Umbaumassnahme gelang uns eine Punktlandung in Bezug auf Kosten und Termin. Wir konnten sogar vier Tage früher als geplant mit der Turbine ans Netz.»

Heinz Wildberger, Betriebsleiter der Kraftwerke Rheinau, AXPO AG

Das Kraftwerk Rheinau ist ein sogenanntes Ausleitungskraftwerk. Es nutzt den natürlichen Höhenunterschied der Rheinschleife und den Aufstau, der bis zum flussaufwärts liegenden Rheinfall wirkt. Das unmittelbar oberhalb des Wehrs anschliessende Einlaufbauwerk führt das Wasser über zwei Maschinengruppen, die für ein Gefälle von 10,5 m und eine Wassermenge von je 200 m3/s ausgebaut sind. Bei einer maximalen Wassermenge von 400 m3/s leisten die beiden vertikalachsigen Kaplanturbinen je 18 400 kW. Die durchschnittliche Stromerzeugung des Kraftwerkes Rheinau beträgt im zehnjährigen Mittel rund 250 GWh/Jahr.

Migration auf moderne Technologie

Das Kraftwerk Rheinau wurde 1956 in Betrieb genommen und hat eine Konzession bis zum Jahr 2036. Nach verschiedenen Teilerneuerungen der elektrotechnischen und mechanischen Anlagen anfangs der 2000er-Jahre wurden in den vergangenen 15 Jahren schrittweise unter anderem die Leittechnik für das Stauwehr und die beiden Hilfswehre sowie das Wasserhaushaltsystem mit Prozessstationen von Rittmeyer erneuert. Verblieben waren die beiden Maschinengruppen, für deren bis dato installierte Steuerungen inzwischen Ersatzteile fehlten, und Wartungsarbeiten immer schwieriger wurden. «Mit dem jetzt erfolgten Umbau der kompletten Leittechnik auf die modernen RIFLEX-M1-Steuerungen sichern wir den Betrieb bis zum Konzessionsende und darüber hinaus», erklärt Betriebsleiter Heinz Wildberger.

Kürzest mögliche Stilllegung

Das Umbauprojekt brachte einige Herausforderungen mit sich, «quasi eine Operation am offenen Herzen», meint Heinz Wildberger. Rheinau verfüge nur über zwei Maschinengruppen, bei der Revision einer Maschine lege man die halbe Kapazität still. Natürlich führe man solche Arbeiten in Zeiten durch, in denen mit einem geringen Abfluss gerechnet werde. Aber der Klimawandel verändere auch daran so manches und bringe Unsicherheiten mit sich, wie der Betriebsleiter feststellt. Dazu komme, dass die Systeme eng miteinander verbunden sind und man extrem darauf achten müsse, dass man bei der Modifikation der einen Maschine nicht einen Stillstand der zweiten, dann oft unter Volllast laufenden Maschine, verursacht. Beim Umbau lief aber alles nach Plan, und trotz anspruchsvollem Ablauf brachte man die Turbine sogar vier Tage rascher als vorgesehen wieder ans Netz. Der Betriebsleiter ist vollauf zufrieden: «Es gelang uns eine Punktlandung – und zwar in Bezug auf Termin und Kosten. »

Zusätzliche Bedienebene

Die operative Sicherheit und Verfügbarkeit der Stromproduktion stehen für die Kraftwerke Rheinau und die Betreiberin AXPO an erster Stelle. Auch deshalb wurde gleichzeitig mit dem Umbau eine zusätzliche Bedienebene mit Touchscreen direkt bei der Maschinengruppe implementiert. So kann der aktuelle Maschinenzustand selbst beim Ausfall der Verbindung zum Leitsystem angezeigt und die Maschine sicher bedient werden. «Die zusätzliche Bedienebene erhöht die Bereitschaft unserer Anlagen in jeder Betriebssituation und erleichtert die Überwachung der technisch wichtigsten Parameter vor Ort», beschreibt Heinz Wildberger den wichtigsten Nutzen der Neuerung.

Mehr Cyber-Sicherheit

Kraftwerke wie Rheinau gehören zur kritischen Infrastruktur des Landes und erfordern deshalb eine besondere Aufmerksamkeit, auch in Bezug auf den Schutz der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) gegen unbefugte Manipulationen. Sowohl über technische Massnahmen wie auch mit regelmässigem Training der Mitarbeitenden wird deshalb in Rheinau das Risiko einer Cyber-Attacke so weit als möglich reduziert. So ist das Netzwerk über ausgeklügelte Strukturen nach aussen abgeschirmt und wird zudem permanent und automatisiert auf Unregelmässigkeiten im Datenverkehr durchsucht. Werden Anomalien erkannt, kann sofort interveniert werden. «Im Rahmen des Netz- und Versorgungsmanagements müssen Betriebsdaten zu Kraftwerksanlagen online zur Verfügung stehen», erklärt Heinz Wildberger, und ergänzt: «Deshalb wurde in den vergangenen Jahren viel in die Netzwerksicherheit investiert.» Die aktuelle Neuerung ist ein Login-Server, über den sich die Mitarbeitenden entsprechend ihrer Berechtigungen mit einem persönlichen Badge am Leitsystem anmelden können. Rittmeyer installierte dazu an jedem Arbeitsplatz Login-Stationen und stattete die Mitarbeitenden mit persönlichen Badges aus. «Damit gelingt das Anmelden am System, auch bei der geforderten Passwortlänge und Richtlinie, sicher und in Sekundenschnelle», freut sich Heinz Wildberger.

«Die Zusammenarbeit mit Rittmeyer war flexibel, unbürokratisch und stets partnerschaftlich. Das ist heute keinesfalls mehr selbstverständlich.»

Viel Lob

Flusskraftwerke stellen einen unverzichtbaren Teil der Schweizer Stromversorgung dar. Daneben sind sie auch wichtige Werke für den Hochwasserschutz und die stabile Wasserführung des Rheins. Bei einem Betriebsausfall fallen nicht nur Produktionskapazitäten aus, sondern es müssen auch grosse Wassermengen in den Überfall geleitet werden, was hinter dem Wehr liegende Ökosysteme gefährdet. Ein solch umfangreicher Umbau erfordert deshalb zum einen eine perfekte Planung und Vorarbeit, zum anderen aber auch ein hohes Mass an Flexibilität, um den wechselnden Betriebsbedingungen während der mehrmonatigen Umbauzeit begegnen zu können. Dabei ist der Betriebsleiter voll des Lobes für die am Projekt Beteiligten: «Die Zusammenarbeit mit Rittmeyer war unbürokratisch und stets partnerschaftlich. Das ist heute keinesfalls mehr selbstverständlich.»

Bildnachweis: Axpo AG (Titelbild)