transfer Ausgabe 02 | 2019

Was ich nicht kenne …

Jugendliche für unbekannte Berufe begeistern

Jobs bei Wasser- und Energieversorgungen stehen nicht zuoberst auf der Hitliste der Ausbildungsberufe. Die Suche nach Erklärungen ist schwierig. Wie wählen junge Menschen überhaupt ihre Ausbildung? Wo finden sie Antworten auf ihre Fragen? Bruno Ruoss kennt die Anliegen der Jugendlichen. Er ist Berufs- und Laufbahnberater beim Berufsinformationszentrum (BIZ) in Zug und unterstützt bei der Berufswahl.

Wenn Jugendliche den Weg ins BIZ finden, dann interessieren sie sich doch meist für die klassischen «Hitberufe»: Kaufmann und Informatiker bei den Jungs und Kauffrau oder Fachfrau Gesundheit bei den Mädchen. Die Frage ‹Wie werde ich Profi-Gamer?› ist die Ausnahme, kommt aber auch vor. Interessant sei, so Bruno Ruoss, dass Mädchen aus den bekanntesten zehn Berufen wählen, Jungs eher breiter, differenzierter suchen.

(Wenig) Mut zum Unbekannten

Der Umstand, dass die Schülerinnen und Schüler meist nur wenige der mehr als 250 Lehrberufe kennen, bezeichnet der Berufsberater als eine seiner täglichen Herausforderungen. Den Sanitärinstallateur hat man daheim vielleicht schon mal gesehen, kaum jedoch den Haustechniker oder den Entwässerungstechnologen. «Es gibt diverse Berufe, die ein erbärmliches Dasein fristen, schlicht weil sie nicht bekannt sind», bedauert Bruno Ruoss.

Manchmal hätten die Jugendlichen einen ganz kleinen Ausschnitt eines Berufs gesehen und daraus dann das gesamte Berufsbild projiziert. Mit solchen Bildern im Kopf ist es dann aufwändig, sie für etwas anderes zu begeistern, dort eine Schnupperlehre zu machen, etwas in die Hand zu nehmen. «Das ist aber auch die grosse Chance», so Ruoss. «Sobald die Jugendlichen etwas gesehen haben, es erlebt haben, passiert etwas. Plötzlich hat der Beruf ein ganz anderes Image. Und man schaut das nicht mehr nur nach dem Ranking an.»

«Es gibt diverse Berufe, die ein erbärmliches Dasein fristen, schlicht weil sie nicht bekannt sind.»

Bruno Ruoss, Berufs- und Laufbahnberater, Berufsinformationszentrum (BIZ) Zug

Menschen entscheiden

Nicht immer klappt das. So seien manche Jugendliche wieder in seine Beratung gekommen, die nach drei Tagen auf der Baustelle ‹kaputt› waren. Man muss anpacken, es ist anstrengend. Treppen rauf, Treppen runter. «Das ist ja normal, dass man da müde ist», versucht sie Ruoss dann zu besänftigen. «Aber sie meinen natürlich auch: Das ist der Beruf.» Bruno Ruoss ist sich bewusst, dass Schnupperlehren für die Firmen aufwändig sind. Deshalb empfiehlt er immer, zunächst Infoveranstaltungen zu besuchen, an denen Firmen ihren Betrieb und die Lehrberufe vorstellen. Die eigentliche Schnupperlehre ist für ihn bereits etwas deutlich Verbindlicheres.

Bei diesen ersten Begegnungen mit den potenziellen Lernenden wittert Ruoss jedoch bei den Firmen mitunter noch Optimierungspotenzial: «Oft versuchen sie gar alles zu zeigen. Aber das ist zu viel, überfordert eher. Es muss ja nicht die ganze Lehre sein.» Der weit entscheidendere Aspekt seien die Menschen dort: Sind sie nett, habe ich ‹etwas Lässiges› gemacht? Das bleibe hängen.

Eltern haben den grössten Einfluss

Grösster Einflussfaktor bei der Berufswahl seien und blieben die Eltern. Die Peers wären schon auch wichtig, aber was die Eltern sagen, sei noch viel wichtiger, so Ruoss. Ein Konflikt dabei sei oft, dass Eltern noch auf dem Kenntnisstand von vor 20 Jahren ‹beraten›. Berufe verschwinden jedoch, Inhalte verschmelzen mit anderen, neue entstehen. Tut dann eher Elternbildung Not? Bruno Ruoss schmunzelt: «Wenn man sich bewusst ist, dass die Eltern den grössten Einfluss auf die Berufswahl haben, dann sollten sie tatsächlich top informiert sein, um mitzuwirken und kompetent beraten zu können.»

Ver- und Entsorgung: Vorbilder fehlen

Umwelt- und Energietechnik, die Themen der Versorgungsbranchen, beschäftigen Jugendliche sehr selten und es gibt wenig Nachfrage dazu im BIZ. Bruno Ruoss meint, da fehlten vielleicht auch die konkreten Vorbilder. Es gäbe schlicht zu wenig Berührungspunkte und Begegnungen mit diesen Berufsleuten. Ruoss empfiehlt diesen Unternehmen, sich zu öffnen, die Berufe als Ganzes zu präsentieren und aufzuzeigen, wie wichtig sie sind: «Eine Kläranlage beispielsweise ist doch High-Tech. Da braucht es viel Erfahrung, da gibt es ein Labor, die Menschen haben Verantwortung. Ich denke mir, das reizt Jugendliche. Da kann man sie packen.»

Arbeit mit Menschen

Und was reizt ihn, den Berufsberater, an seiner Aufgabe? Sein Job sei vor allem die Arbeit mit Menschen. Das schätze er sehr. Menschen in Veränderungsprozessen zu begleiten und ihnen mit Information, Mut und Zuversicht zu begegnen sei ein Privileg. Beratungsgespräche seien für ihn deshalb auch immer wieder Abenteuer. «Eine Berufsberatung ist für mich ähnlich wie ein Tanz. Nur wenn beide Beteiligten sich aufeinander einlassen und sich bewegen wird ein schöner Tanz daraus, dann geht es weiter», sagt Ruoss. Ein schönes Schlusswort.

Bildnachweis: iStock/Creative-Touch (Titelbild)