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FACHTHEMA wird das zunehmend zur Herausforderung für uns.» Exakte Prognosen gestalten sich durch unerwartete Wetteränderungen schwieriger, der kurzfristige Handel wird wichtiger werden. Am kurzfristigen Handel beteiligt sich STW jedoch noch kaum. Heute ist es einer Bilanzgruppe zugeteilt, in die es laufend für die unmittelbar folgenden Tage eine Stromprognose einreichen muss. Das Ziel dabei: Den Strombedarf so exakt als möglich zu prognostizieren, um teure Ausgleichszahlungen für Abweichungen der Prognose zu minimieren. Ein Pilotprojekt mit Vorbildwirkung «Es wäre schon absurd, wenn man bei sinkendem Bedarf die eigenen PV-Anlagen vom Netz nehmen müsste, um keine Ausgleichsenergie bezahlen zu müssen», findet Irene Steimen. Wenn von der Sonne kostenloser Strom produziert wird, müsse man doch einen Weg finden, diesen zu verbrauchen, ist die Energiewirtschafterin überzeugt. In ihrer Masterarbeit untersuchte sie deshalb unter anderem Potenziale im Handel und in der Netzbewirtschaftung unter der Nutzung von dezentralen Flexibilitäten. Die Ergebnisse der Arbeit dienen als Basis für ein Pilotprojekt bei STW. Der Ansatz: Flexibel bedienbare Lasten werden als kollektive Regelgrösse genutzt – im Fall von STW die zahlreich verfügbaren Wärmepumpen und Elektroboiler der Kunden. «Abweichungen sind teuer. Und da STW diese nicht durch eigene Wasserkraftwerke ausgleichen kann, entstand die Idee, die Assets unserer Kunden wie ein virtuelles Kraftwerk zu bewirtschaften», erklärt Steimen das Vorhaben des Versorgers. In einem nächsten Schritt wird STW die Anforderungen an die dazu notwendige Steuerung nun exakt erfassen und in einem Testbetrieb verifizieren. Eine Software soll bei Abweichungen zur Prognose aktiv eingreifen, dabei selbstverständlich den Wärmebedarf der Kunden berücksichtigen, sodass bei diesen keine Komforteinbussen entstehen. «Technisch betrachtet ist das die Weiterentwicklung der Rundsteuerung, für die man ohnehin eine Nachfolgelösung benötigt», gibt die Energiewirtschafterin einen Ausblick auf morgen. Letztlich betreffe dies alle Energieversorger, und mit dem Internet of Things seien dazu zahlreiche Möglichkeiten gegeben. Zusammenarbeit erwünscht Seit 2009 ist im Schweizer Stromversorgungsgesetz die Trennung von Netz und Vertrieb verankert. Energieversorger dürfen so nicht mehr gleichzeitig Netzbetreiber sein. Ziel dieser Entflechtung (‹ Unbundling›) ist der neutrale Netzbetrieb mit gleichen Voraussetzungen für alle Teilnehmenden. Dies ist eine der Bedingungen für den Abschluss des Stromabkommens mit der EU, die eine vollständige Liberalisierung des Strommarktes verlangt. Damit wird aber aufgrund der gleichzeitig verlangten ‹informatorischen Trennung› auch ein Informationsfluss zwischen Netz und Vertrieb unterbunden. Was die Optimierung der Energiestrategie anbelangt entstünden daraus gewisse Probleme, so die Expertin: Um die Flexibilitäten im Netz optimal zu nutzen, müssten Netzbetreiber und Versorger zusammenarbeiten können. «Wenn die Realität von den Prognosen abweicht, dann betrifft das den Handel und das Netz. Da müssen wir nun trotz regulatorischer Trennung noch den gemeinsamen Weg finden», erklärt Steimen. Herausforderungen für morgen Auf dem Weg zur vollständigen Liberalisierung des Strommarktes wird es für Versorger zunehmend wichtiger, Strom zu jedem Zeitpunkt möglichst kostenoptimal liefern zu können. Die grösste Herausforderung dabei ist es, die zunehmende Fluktuation der Stromproduktion, bedingt durch den steigenden Anteil der erneuerbaren Energien, geschickt zu beherrschen. Daneben sei aber auch eine effizientere Zählpunktbewirtschaftung als heute erforderlich, meint Irene Steimen: «Im vollständig liberalisierten Markt können Kunden ihren Anbieter frei wählen – und problemlos wechseln. «Eine Prognose ist eben eine Prognose, und deshalb per se falsch – die Frage ist nur, wie sehr.» 01| 2020 42 | 43

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