transfer

INTERVIEW Mit der Digitalisierung der Prozesse wird auch immer wieder die Frage der Verantwortung gestellt: Mensch oder Maschine? Wie lässt sich das einordnen? Da gibt es das viel diskutierte Beispiel der selbstfahrenden Autos: Haben die noch ein Steuerrad oder nicht? Solange ich das noch habe, dann ist die Verantwortung geklärt. Was, wenn das wegfällt? Und das wäre ja genau das Ziel, sonst brauche ich doch kein selbstfahrendes Auto (schmunzelt). Nur: Wenn kein Steuerrad mehr da ist, dann kann ich definitiv nicht mehr eingreifen und auch nicht die Verantwortung tragen. Wer dann? Die Betreiber der Autoflotte? Der Fahrzeughersteller? Gar der Entwickler, der die Software geschrieben hat? Bei vernetzten Systemen, in denen mehrere Parteien gleichzeitig Einblick in die Prozessdaten haben, kann man leicht die Verantwortung hin- und herschieben. In solchen Fällen gibt es bislang die starke Tendenz, diese doch am ehesten bei den Menschen im operativen Prozess zu verorten, auch wenn diese eigentlich keine Eingriffsmöglichkeiten haben. Bei den Diskussionen ums autonome Fahren zeigt sich aber doch auch, dass die Einsicht wächst, dass Hersteller und Betreiber von Technologie mehr zur Verantwortung gezogen werden sollten. Oft scheitert die Einführung neuer Technologien an der fehlenden Akzeptanz? Wie gelingt das (besser)? Diese Frage beschäftigt die Human-Factors- Forschung immer wieder. Gute Ansätze bleiben jedoch meist auf die Gestaltung des Human Interface beschränkt, also die Bedienebene. Das ist wichtig, aber eben nicht alles. Bei Technologien, die direkt vom Endbenutzer beschafft und verwendet werden, gibt es eine direkte Rückmeldung: Wenn das Produkt nicht gut gemacht ist, dann wird es nicht gekauft. Bei Technologien, die in Arbeitsprozessen eingesetzt werden, fehlt diese direkte Rückkopplung. Die Organisation kauft das System, weil man ihr damit beispielsweise Produktivitätsgewinne versprochen hat. Und das glauben sie dann. Nur: Es sind die Menschen vor Ort, die das irgendwie hinbekommen müssen. Die im Zweifelsfall sogar noch schuld sind, dass keine Verbesserung gelingt, der Prozess eher langsamer geht, und mehr kostet. Es braucht also mehr Miteinander? Ja, absolut. Natürlich gibt es Überlegungen zur partizipativen Systemgestaltung schon lange. Aber auch bei bestem Willen ist das nicht so einfach umzusetzen, da wir ja oft gar nicht so genau wissen, was möglich ist und was uns letztendlich bei unserer Arbeit hilft. Trotzdem ist es ein Grundprinzip, die Menschen, die von Veränderungen oder Technologieentwicklungen betroffen sind, in solche Entscheide einzubeziehen. Und ebenso, genau hinzuschauen, nicht einfach Technologie von der Stange um des Automatisierens Willen zu kaufen. Selbstverständlich ist auch Lern- und Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden notwendig. Und sicher hat das viel mit dem einzelnen Menschen zu tun. Aber eben auch mit dessen ‹Geschichte› im Unternehmen. Durfte er dort bislang lernen? Oder hatte er immer nur Arbeiten zu leisten, bei denen man ihm genau sagte, was und wie er es zu tun hat? Plötzlich soll er lernen, soll Dinge selbst entscheiden. Das kann nicht so einfach gelingen. Entscheidend ist auch der Zeithorizont der Veränderung, wenn man die Menschen mitnehmen will. Wenn man sie möglicherweise umschulen muss, oder sich sogar ganz neue Berufsprofile bilden. Das sollte man früh genug erkennen, und dann auch entsprechend losmarschieren. Frage also: Nehme ich mir die Zeit für Veränderung? Wir reden von Flexibilisierung der Arbeit, Remote-Working, Home-Office. Arbeiten, wo wir wollen und wann wir wollen, dem Internet sei Dank. Was gilt es zu beachten, damit das nicht aus den Fugen gerät? Wichtig ist vor allem, dass man die Grenzen definiert. Nur weil etwas ‹flexibel› ist, ist es noch lange nicht für alle gut. Eine unbedingte Voraussetzung ist, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmende ihre Erwartungen im Arbeitsprozess möglichst explizit machen. Es muss konkret beschrieben sein, wie man mit den flexiblen Arbeitsformen umzugehen gedenkt, und daraus abgeleitet werden, wie die verschiedenen Interessen zusammengebracht «Nur weil etwas ‹flexibel› ist, ist es noch lange nicht für alle gut.» 02| 2019 24 | 25

RkJQdWJsaXNoZXIy NTkxNzY=