transfer

werden können. Sprich: Man muss sich das genauer anschauen, wer welche Flexibilität wozu erwartet, z. B. Arbeit auch am Wochenende oder Privates während der regulären Arbeitszeit erledigen. Und dann die Frage beantworten, ob das zusammenpasst oder eben nicht. Aufgabenstellungen werden komplexer, Gesetze und Verordnungen werden dichter, die Verantwortung nimmt zu. Damit steigt auch die Belastung der Menschen. Überforderung und Stress drohen. Was können Unternehmen tun, um ihre Organisation und damit ihre Mitarbeitenden zu stärken? Hier kann man vor allem von zwei Merkmalen der sogenannten High Reliability Organizations (‹Hochzuverlässigkeitsorganisationen›) lernen. Das eine ist die Achtsamkeit der Führungskräfte und letztlich aller Beteiligten für betriebliche Abläufe (‹Sensitivity to operations›). Das geht natürlich nur vor Ort, man muss genau hinschauen – und Probleme sehen wollen. Und, das ist das Zweite, man muss sich mit den Problemen beschäftigen (‹Preoccupations with failure›). Das versetzt Organisationen in die Lage, Krisen und Störereignisse früher zu erkennen und ihnen zielgerichteter zu begegnen. Dazu gehört auch Arbeitskollegen zusammenbringen, den Austausch zu fördern. Und eine Kultur pflegen, in der man sagen darf, dass man sich nicht in der Lage fühlt, eine Aufgabe zu erfüllen. Sei dies physisch oder psychisch, analog den Piloten, die sagen dürfen ‹I am not fit to fly›, und es dann auch nicht tun. Oder in Bezug auf die Qualifikation für eine Aufgabe. Kurz: Kann ich mich trauen zu sagen, dass ich Hilfe brauche, ich unsicher oder mit dieser Situation überfordert bin. Wenn ein solches Verhalten akzeptiert und im Unternehmen etabliert ist, dann hilft das enorm. Und dann kann dabei Technologie auch von Vorteil sein: Anstelle mutterseelenallein etwas entscheiden zu müssen, kann ich beispielsweise noch jemanden weiteren – digital, von einem ganz anderen Ort aus – auf den Prozess schauen lassen. Aber eben: Das ist eine Frage der Organisationskultur. Gibt es ein Miteinander oder fühlen sich Mitarbeitende allein gelassen mit ihren Aufgaben. Zusammengefasst: Heisst Technologieveränderung also mitunter auch Organisationsveränderung? Ja, immer. Man muss aber genauer hinschauen, was oder wer wen beeinflusst. Müssen wir uns und unsere Organisation der Technologie anpassen, oder sollte es nicht umgekehrt sein? Digitalisierung um der Digitalisierung Willen kann kaum das Ziel sein. Deshalb müssen wir uns fragen, welche Optionen die technologische Innovation beinhaltet. Und dann schauen, ob sich damit Arbeitsprozesse verbessern lassen, ob wirtschaftliche Vorteile entstehen, und wie uns Technologie von unattraktiven oder gefährlichen Routineaufgaben entlasten kann. Eine kluge Antwort darauf lässt sich nur in direktem Dialog von Forschern, Entwicklern und Anwendern finden. Aber es braucht auch den Dialog in den Unternehmen. Vieles funktioniert doch nur deshalb, weil Menschen unglaublich gutwillig sind. Weil sie sich mit ihrer Arbeit identifizieren, weil sie etwas Gutes machen wollen. Sie geben sich enorme Mühe, Dinge zum Laufen zu bringen und am Laufen zu halten. Fehlentscheide, beispielsweise bei der Technologieauswahl, werden deshalb oft in den Führungsetagen gar nicht als solche wahrgenommen. In wichtige Entscheidungen sollten deshalb die Betroffenen immer einbezogen werden und Technologie nicht als Selbstläufer, sondern als in Richtung einer gemeinsamen Vision gestaltbar verstanden werden. Dann ist die Digitalisierung keine Bedrohung mehr, sondern kann positiver Treiber des Fortschritts sein. Frau Prof. Grote, herzlichen Dank für das Gespräch.

RkJQdWJsaXNoZXIy NTkxNzY=