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INTERVIEW Autobahn», unterstreicht Johannes Tscharner die Wichtigkeit. Priorität Hochwasserschutz Was dies bedeutet erfahren wir, als uns die beiden rund 50m tiefer in die Anlage führen. Hier befindet sich die Schieberkammer mit den Grundablässen. 500 000 l Wasser pro Sekunde können bei Hochwasser entlastet werden. Die Funktion der Plattenschieber und der zugehörigen Hydraulikpumpen wird regelmässig überprüft, wie uns die beiden versichern. Bei Hochwasser muss wirklich alles funktionieren. Johannes Tscharner hebt einen grossen Deckel aus dem Boden der Kammer. Eine Leiter führt senkrecht weitere 9m in die Tiefe. Es ist stockdunkel, kalt und nass da unten, fast am Grund der Staumauer. Er leuchtet in den Schlund, etwas Wasser rinnt durch die Plattenführungen. «Das muss man immer mal wieder abdichten», erklärt Tscharner. Dann heisst es «ab in den Schacht und nach dem Rechten sehen.» Gesichert mit Helm und Klettergurt, ein zweiter Mann steht am Einstieg. Das ist wichtig für die Sicherheit und wird im Rahmen von Höhentrainings und Sicherheitsschulungen auch immer wieder geübt. Frische Luft Der weitere Weg führt zu einer gigantischen Lüftungsanlage. Auch für deren Wartung sind die beiden in Bärenburg verantwortlich. Die Anlage ist für die Belüftung und Entfeuchtung der Staumauer wichtig. «Für uns ist sie lebensnotwendig, denn sie sorgt für Frischluft für die Menschen, die in der Mauer arbeiten», erklärt uns Romano Baptista. Dabei erfahren wir, dass Bärenburg eine von nur zwei Anlagen in der Schweiz ist, bei der das gesamte Kraftwerk in der Staumauer verbaut ist. Die 64m hohe Gewichtsstaumauer trägt auch die gesamte Freiluftschaltanlage. 55 000m3 Beton wurden bei deren Bau 1960 gebraucht. Ohne Lüftung wäre es hier drinnen wohl ziemlich kalt und stickig. Sicher, auf den Mikrometer genau Über verwinkelte Gänge und Treppen gelangen wir in Stollen, die die gesamte Staumauer durchziehen. Wir kommen an dutzenden von Messpunkten vorbei. Als Talsperrenverantwortlicher kontrolliert und dokumentiert Johannes Tscharner in vorgeschriebenen Intervallen verschiedene Parameter wie Auftriebs- und Sickerwassermengen, er misst die Fugenspalte und eventuelle Bewegungen der Staumauer. In Bärenburg liegen diese im Millimeterbereich. Wir werden beruhigt: «Alles völlig in Ordnung.» Da draussen drücken mehr als eine Million Kubikmeter Wasser gegen die Mauer. Irgendwie doch ein eigenartiges Gefühl hier unten. Mächtige Turbinen Später werfen wir einen Blick in die Dotieranlage. Um die vielfältigen Funktionen des Fliessgewässers für Flora und Fauna zu erhalten, wird von Stauseen stets eine vorgeschriebene Wassermenge abgelassen – das sogenannte Dotierwasser. Auch dieses wird in Bärenburg turbiniert. Mit dem Lift nach oben, einige Gänge weiter kommen wir im eigentlichen Turbinenraum an. Auf dem Weg fragen wir uns, wie man sich in diesem Dickicht von Stockwerken, Treppen, Gängen und Stollen überhaupt je zurechtfinden kann. Bei den Turbinen ist es ziemlich laut. Vier riesige, leuchtendgrün gestrichene Francis-Turbinen leisten hier ihre Arbeit. Sie treiben zwei Stockwerke über uns Generatoren mit einer Gesamtleistung von 220MW an. Viele Instandhaltungsarbeiten müssen neben dem Lärm der laufenden Maschinen durchgeführt werden. Dabei kann man sich nur schwer verständigen. Deshalb ist es absolut notwendig, dass das Team gut eingespielt ist und jeder auf den anderen achtet. Auch das ist eine wichtige Sicherheitsregel. Digitalisierung auch hier Wir kommen am Kommandoraum vorbei. Der ist längst nicht mehr besetzt, denn die Anlage in Bärenburg wird mittlerweile von der Zentrale in Sils überwacht, der Turbineneinsatz direkt entsprechend dem Bedarf am Strommarkt von AXPO in Baden ferngesteuert. Das hat auch den Arbeitsalltag von Johannes Tscharner und Romano Baptista verändert. Bärenburg ist nicht mehr rund um die Uhr besetzt. Den klassischen Schichtbetrieb, wie zu Zeiten von Baptistas Vater, gibt es nicht mehr. Überhaupt hat sich in den letzten Jahren vieles verändert. So werden wohl Zug um Zug auch die Klemmbretter der Wartungsmannschaft durch Tablets ersetzt, Arbeitsaufträge und Wartungsintervalle sind inzwischen digital erfasst und den Mitarbeitern zugeteilt. Die durchgeführten Arbeiten werden online dokumentiert und ins System übertragen. «Das ist auf den ersten Blick einigermassen aufwändig, aber absolut notwendig, um den Betrieb der Anlage auf höchstem Sicherheitsniveau zu gewährleisten», bestätigt Romano Baptista. Wir werfen gemeinsam einen Blick auf Checklisten und ins System. Da kommt schon ganz schön was zusammen. Traumjob für Allrounder «Zu tun haben wir genug», sagt Johannes Tscharner am Ende unseres Rundgangs und schmunzelt. Gemeinsam gehen wir hinaus ins Freie und geniessen den Ausblick. Da entdecken wir eine Seilbahn. Sie führt ins knapp 300m höher gelegene Wasserschloss. Auch die Bahn «Ab in den Schacht und nach dem Rechten sehen.» 02| 2019 18 | 19

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