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INTERVIEW «Unternehmen suchen den 30-Jährigen mit 10 Jahren Berufserfahrung als Ingenieur. Das erschwert Absolventen den Einstieg.» Herr Prof. Dr. Borth, welche Erfahrungen haben Sie inzwischen mit dem noch jungen Studiengang gemacht? Stimmt die Richtung? Ja, das Feedback aus der Industrie und von Absolventen gibt uns recht. Gerade in der Energie- und Anlagentechnik sind die Disziplinen heute oft noch stark voneinander abgegrenzt. Die Branche braucht hingegen dringend Fachkräfte, die über interdisziplinäre Fähigkeiten verfügen. Mit dem Studiengang versuchen wir, die Trennung der Gewerke aufzulösen. Natürlich wäre es auch geschickt, diese Grenzen könnten bereits in den gewerblichen Ausbildungen aufgehoben werden. Aber ein Heizungsmonteur darf nun mal keine Elektrotechnik installieren – auch wenn er die Grundlagen kennt. Die Gesetzgebung trennt das klar voneinander. Das Verstehen von Zusammenhängen wird immer wichtiger. Wie kann es gelingen, die Bildungslandschaft entsprechend zu verändern? Indem wir ständig davon reden. Und uns vor allem auch stärker in den Schulen engagieren. Schüler werden meist nicht für MINT-Berufe begeistert. Das fängt schon in der Primarschule an. Das Auseinandersetzen mit Technik oder Naturwissenschaften ist nicht Teil des «Pflichtprogramms». Die Sekundarschule bereitet ihrerseits gut auf die Berufswahl vor. Sie vermittelt bislang jedoch eher wenig Informationen zu den weiterführenden Ausbildungen, die auf eine berufliche Ausbildung aufbauen. Deshalb entwickelte sich in der Vergangenheit oft erst während der Berufslehre der Wunsch, eine Berufsmaturität zu erwerben. Ich denke, die Weiterbildungsmöglichkeiten in den technischen Berufen müssten deshalb schon in der Sekundarstufe stärker propagiert werden. Ganz generell sollten wir versuchen, die Technik allgemein spannend zu machen. Und es sollte auch besser gelingen, Frauen für eine technische Ausbildung zu begeistern. Wie schaffen Sie es, die Inhalte auch für junge Erwachsene ohne technische Ausbildung verständlich zu vermitteln, und gleichzeitig die Attraktivität als akademische Ausbildung zu wahren? Die Ausbildung findet sehr praxisnah statt. Dadurch tun sich die Studierenden deutlich leichter, die Inhalte zu begreifen. Unsere Absolventen verkabeln bei Forschungsprojekten selbst die Schaltschränke. Aber sie konzipieren auch Messwerterfassungen, kümmern sich um die Auswertung und programmieren das User Interface. Programmieren sollten die Studierenden also können? In Gesprächen mit Unternehmen fiel auf, dass dringend auch Umweltingenieure mit Programmierskills benötigt werden. Je weniger Schnittstellen es innerhalb der Entwicklung von Lösungen gibt, umso zielgerichteter und effizienter wird sie gelingen. Deshalb ist die Programmierung mit ‹Python› auch Teil unserer Ausbildung. Damit ausgestattet verlassen wirklich berufsfähige Leute unseren Studiengang. Wie leicht gelingt der Berufseinstieg? Wie wichtig ist der Faktor ‹Berufserfahrung›? Berufserfahrung ist erwünscht wie eh und je. Vor allem unser praxisorientiertes Studium ist aber ein guter Ansatz, um bereits einen prall gefüllten ‹Wissensrucksack› mitzubringen. Die meisten unserer Studierenden bringen Berufserfahrung aus ihrer Lehre mit, die sie im Studium mit theoretischem Wissen erweitert haben. So starten sie als Absolventen direkt in der Wirtschaft und machen einen super Job. Aber natürlich gilt es auch weiterhin, junge Berufsleute im Unternehmen auf die spezifischen Tätigkeiten vorzubereiten. Herzlichen Dank für das Gespräch. 02| 2019 12 | 13

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