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keiten entstehen. Die politische Dimension ist dabei sicher nicht ganz einfach. Ob das Stromabkommen mit der EU zustande kommt, hängt auch von den Ergebnissen der Rahmenvertragsverhandlungen ab. Natürlich stellt sich die Frage: Wie stark will man vom Ausland abhängig sein? Es ist absurd, wenn wir Atomkraftwerke abschalten, im Nachbarland aber neue gebaut werden und wir den Strom von dort beziehen. Nur: Man kann nicht an der Grenze ‹schlecht produzierten Strom› zurückweisen. Wir können uns nicht abkapseln. All dies spielt bei den Überlegungen für die Zukunft unserer Stromversorgung mit. Auf dem Weg dahin gibt es jedoch viele Dinge, die wir als Schweiz ‹lokal› entscheiden können und müssen. Beispielsweise wenn es darum geht, wie wir dezentrale Ressourcen optimal ausgleichen können. Trügt denn die Wahrnehmung, dass in der Schweiz irgendwie die Weiterentwicklung‹steht›? Zu einem bestimmten Grad stimmt das vielleicht. Es bräuchte sicher mehr Investitionen in erneuerbare Energien. Ob es dazu eine zusätzliche Förderung braucht, oder vielleicht nur neue Business-Modelle, ist schwierig zu beantworten. Ich sehe unsere Aufgabe vornehmlich darin, herauszufinden, was unterstützend im Netz passieren muss, um die Energiestrategie und den dort beschriebenen Leistungsbedarf umzusetzen. Wir schauen dabei weniger auf Fördermassnahmen, sondern was dazu auf der Netzseite passieren muss: Wieviel Ausgleich kann man aus der Flexibilität der Kunden bekommen? Wo können Speicher helfen? Was könnte man erreichen, wenn man ein Netz genauer modellieren könnte – und es damit weniger konservativ dimensionieren muss? So gibt es viele Fragen, die noch nicht befriedigend beantwortet sind. der Schweizer Mentalität, eher etwas vorsichtiger zu sein. Natürlich haben wir den Vorteil, dass bereits ein grosser Teil unserer Stromproduktion aus der Wasserkraft kommt. In Deutschland die Energiewende von Kohle zu schaffen, ist sicher eine grössere Herausforderung als in der Schweiz, wo wir schon relativ viel Erneuerbare im Netz haben. Trotzdem bleibt die Frage, wie wir die Atomkraft ersetzen wollen. Damit man etwas weiterbringen kann, braucht es auch einen Anstoss. Meiner Meinung nach hält sich derzeit die Wahrnehmung, dass es noch Zeit hat. Und dass die neuen Technologien noch nicht weit genug entwickelt sind. Ein grosser Schritt wäre es schon, wenn es gelänge, Verständnis dafür zu erreichen, dass das elektrische Netz ein ziemlich komplexes Gebilde ist. Dabei müssen Erzeugung und Verbrauch immer im Gleichgewicht sein. Natürlich kann man etwas speichern. Aber das ist deutlich komplizierter als der Öltank oder der Kohleberg, den man ansammeln und dann Zug um Zug abbauen kann. Das ist sicher das erste, das man verstehen muss. Und damit könnte man vielleicht erklären, warum Solarenergie allein ohne unterstützende Technologien nicht die Lösung ist. Frau Prof. Dr. Hug, herzlichen Dank für das Gespräch. Sollten sich Stromversorgungsunternehmen nicht mit diesen Fragen beschäftigen? Viele machen das, ja. Und es gibt sogar kleinere EVUs, die motiviert sind, aktiv etwas zu tun. Wie beispielsweise das EW Walenstadt mit ihrem Projekt ‹Quartierstrom› (Anm. d. Red.: Lesen Sie dazu auch den Beitrag auf Seite 20). Aber es gibt sicher auch Energieversorger, die eher konservativ unterwegs sind und die Vorreiterrolle scheuen: Wollen wir uns beteiligen, oder warten wir ab und bleiben so wie wir sind? Die Frage ist ausserdem, schaue ich als Verbundunternehmen über meine ‹Energiegrenzen› hinaus – Strom, Gas, Wasser, Wärme – oder behandle ich das isoliert? Da kommt es sicher sehr darauf an, wer leitet und wie interessiert die Mitarbeitenden sind. Sind andere Länder weiter? In einzelnen Aspekten sind verschiedene Länder unterschiedlich weit. In der Elektromobilität ist beispielsweise Norwegen absoluter Vorreiter, bei der Windenergie ist es Dänemark. Ich kann zwar nicht beurteilen, ob die Entwicklung zukünftiger Energiekonzepte in anderen Ländern generell rascher voranschreitet. Aber man hat schon manchmal das Gefühl, es geht in der Schweiz nicht ganz so schnell vorwärts. Könnenwiraufholen? Vielleicht entspricht das derzeitige Vorgehen einfach ein bisschen Zur Person Prof. Dr. Gabriela Hug (*1979) ist ordentliche Professorin für Elektrische Energieübertragung an der ETH Zürich und eine international viel beachtete Wissenschaftlerin. Im Zentrum ihrer Forschungstätigkeit stehen der Entwurf und die Optimierung von zukünftigen Energienetzen. Dabei ist ihr ein starker Praxisbezug wichtig.

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