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INTERVIEW Grosse Unsicherheiten verursachen dabei regulatorische Entscheide. Sie haben einen massiven Einfluss darauf, wie sich das Netz entwickeln wird. Fördermassnahmen laufen aus, Bewilligungsverfahren werden verzögert. Ein Beispiel hierfür ist der stagnierende Ausbau der Windkraft in Deutschland. So etwas ist schwer ‹planbar› oder vorhersehbar. Und wie plant man den Stromkunden? Verbraucht er mehr oder weniger, oder einfach anders als heute? Die Energiestrategie 2050 hat ja auch zum Ziel, ganz generell den Energieverbrauch zu reduzieren. Nur: wollen wir unser gesamtes Energiesystem nachhaltiger machen und die Dekarbonisierung vorantreiben, dann ist die Elektrifizierung von Verbrauchern entscheidend. Denken wir an die Mobilität. Hier ist es wünschenswert, dass der elektrische Energieverbrauch, der als Ersatz für die weniger nachhaltigen Energieformen der fossilen Brennstoffe dient, zunimmt. Was auf physikalischen Gesetzen beruht, ist dabei relativ einfach zu modellieren. Dort hingegen, wo man Annahmen tre�en muss, gibt es Unsicherheitsfaktoren: Wo wird es wann Elektroautos geben? Wie entwickeln sich die Kosten für die Produktion von Strom? Und wie die Preise für Solaranlagen und Speicher? Auch bei diesen Annahmen helfen uns Plattformen wie Nexus-e. Es verbindet die verschiedenen Forschungsrichtungen, macht die Abhängigkeiten zwischen den Energiesektoren sichtbar und ermöglicht so die Harmonisierung verschiedener Forschungsstandpunkte. Allerdings ist das wirklich sehr aufwändig und benötigt unglaubliche Rechenressourcen, die wir derzeit gerade wieder aufstocken. (schmunzelt) Auf den ersten Blick klingt das nach ‹nichtlösbar›…!? Doch, sicher: Es ist machbar! Offen ist, wie so häufig, die Frage nach den Kosten. Selbst falls damit unsere zukünftige Stromversorgung teurer werden sollte, dann ist es, wie ich finde, gerechtfertigt. Es darf auch etwas kosten. Man kann doch nicht einfach auf die Frankenbeträge schauen. Richtigerweise müsste man hierzu ebenso beispielsweise die Entwicklung der Gesundheits- und Umweltkosten betrachten, wenn wir so weitermachen wie bisher. Strom ist auch etwas, das wir haben wollen, auf das wir nicht verzichten wollen, dessen Verfügbarkeit bei uns äusserst hoch ist. Es gibt sogar Forschung dazu, wie viel dem Konsumenten die Zuverlässigkeit des elektrischen Netzes wert ist. Man könnte sich beispielsweise Tarifmodelle ausdenken, die einen Preisnachlass gewähren, wenn man pro Jahr eine gewisse Zeit ohne Strom sein kann. So beeinflussen Geschäfts- und Marktmodelle auch das physikalische Netz. Vielleicht war den meisten bei der Abstimmung zur Energiestrategie 2050 nicht so ganz klar, dass man nicht einfach die Atomkraftwerke abschalten kann. Sondern dass es unter anderem auch ein gewisses Engagement des Verbrauchers benötigen wird. Wenn die Stromkunden mitmachen, vorhandene Flexibilitäten anbieten, und auf der anderen Seite auch investieren, dann kann es gelingen. Das macht es sicher einfacher, als wenn beim Verbraucher einfach alles beim Alten bleibt und man trotzdem die Energiestrategie umsetzen will – ohne dessen Beteiligung. Die Einspeisung wird dezentraler, die Netze komplizierter und weniger planbar. Wie bekommt man das in Griff?­ Zukünftig werden wir wohl am ehesten eine Mischform haben von Dingen, die zentral beobachtet und gemanagt werden müssen, und lokalen Entscheiden. Eine zentrale Steuerung, so wie wir sie heute kennen, wird aus meiner Sicht gar nicht mehr möglich sein. Wir reden von Millionen von Datenwerten. Und Daten sind nicht gleich Information. Man muss sie auch interpretieren können, um sie nutzbar zu machen. Deshalb geht es darum, bereits lokal intelligente Entscheide zu treffen, und diese Informationen über den Netzabschnitt hinaus auszutauschen, um so ein besseres Monitoring des Gesamtnetzes zu ermöglichen. Die Kommunikation zwischen den einzelnen Einheiten stellt zwar einen zusätzlichen Aufwand dar, ist aber aus meiner Sicht der nachhaltigere Ansatz der Umsetzung. Das gilt auch länderübergreifend? Wir sind Teil eines riesengrossen europäischen Netzes. Absolut. Alles, was wir jetzt überlegen, muss Hand in Hand mit den Überlegungen der Nachbarländer gehen. Wir müssen das Ausland einbeziehen in die langfristigen Planungen und die Entscheide, die Einfluss darauf haben, wie und wo Abhängig- «Wenn die Stromkunden ihre Flexibilitäten anbieten aber auch selbst investieren, kann die Energiestrategie 2050 gelingen.» 01| 2020 8 9 |

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