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INTERVIEW Trotz ihrer grossen Verantwortung für unsere Gewässer und die Umwelt geniessen Klärwerkfachleute nicht wirklich ein hohes Ansehen und es fehlt die gesellschaftliche Anerkennung. Wie lässt es sich damit umgehen? Das sind manchmal schon schwierige, mitunter fast schon ignorante Situationen. Da bin ich schon zuständigen Gemeinderäten begegnet, die nie einen Fuss in ihre ARA gesetzt haben. Das muss man dann vielleicht mal steuern und die nächste Sitzung auf der Kläranlage ansetzen (schmunzelt). Letztlich geht es doch um Wertschätzung. Die finden die Betriebsleute oft zunächst untereinander, bei Berufskollegen in ihrer Region. Ein wichtiges Ziel der Ausbildung ist deshalb die Vernetzung. Ich sage immer, wir Gewässerschutz-Fachleute müssen uns und unsere Erfolge auch mal selbst feiern. Aber es gibt ja auch Anlässe mit Öffentlichkeit. Bei Neu- oder Umbauten beispielsweise wird ein Tag der offenen Tür veranstaltet. Oder wenn ein Regenbecken gebaut wurde, das unterirdisch liegt und das man überhaupt nicht sieht. Da ist man definitiv weiter als noch vor 15 Jahren. Heute geschieht das proaktiver. Genauso kommen Schulklassen auf die Kläranlage. Oft ist das der einzige Anlass, an dem ein Mensch eine ARA von innen sieht. Und dieser Moment muss dann einfach ein Erfolg sein. Solche Schulführungen werden von Klärwerkfachpersonen oft mit viel Herzblut durchgeführt. Öffentlichkeitsarbeit ist demnach wichtig. Ist das auch ein Ausbildungsthema? Das ist durchaus ein Thema, ja. Und es ist eine Aufgabe, aber die ist dem Betrieb und dem Unterhalt natürlich nachgeordnet. Trotzdem muss man das machen. Im Sommerloch einen Journalisten zu ‹einem Tag auf der ARA› bitten. Oder seinen Turnverein einladen, den Arbeitsplatz zeigen, anschliessend einen Apéro spendieren. Es braucht Engagement. Allerdings stellen solche Anlässe für Klärwärter manchmal eine Herausforderung dar. Sie sind oft nicht die Extrovertierten, sie arbeiten im Hintergrund und haben das auch gern so. Das ist ja irgendwie auch kein Wunder: Jahr und Tag sind sie allein oder mit ihrem kleinen Team auf der Anlage, und niemand interessiert sich. Stichwort: Digitalisierung. Sie macht auch vor Kläranlagen nicht halt. Wie gehen die Personen auf den Anlagen und Sie in der Ausbildung damit um? Da trifft man ganz a�ne Typen, für die der Rundgang auf der ARA mit dem Tablet in der Hand Arbeitsalltag ist. Und es gibt eben solche, die doch lieber das Papier haben. Das ist dann auch in der Ausbildung so. Den Laufmeter Schulungsordner könnte man genauso elektronisch haben (schmunzelt). So gibt es Interessierte, die wirklich alles aus ihrem Leitsystem herausholen, die das förmlich zelebrieren. Und man erkennt ja den Nutzen, den beispielsweise die Sensortechnik bringt. Trotzdem: Auf der ARA braucht es auch Gefühl, Gespür, Gehör für die Anlage. Und die Fähigkeit das Equipment warten und z. B. Pumpen zerlegen zu können. Auf der ARA kann man eben nicht alles ‹dem Digitalen› überlassen. Nach dem Motto ‹im Prozessleitsystem ist alles auf Grün, da verzichte ich auf den Rundgang›. Das reicht nicht. Ich muss zum Nachklärbecken gehen, schauen, ob es Schaum hat, ob sich etwas verändert hat. Riecht es anders, sieht es anders aus, tönt es anders? Das ist sehr wichtig, und darauf legen wir auch in der Ausbildung Wert. Kann man dies in einer Ausbildung vermitteln? Das ganze Handwerk 1:1 in der Grundausbildung abzubilden gelingt kaum. Was wir deshalb fordern, ist, dass die Lehrgangsteilnehmenden vorgängig ein halbes Jahr, ein Jahr auf der Kläranlage mitgearbeitet haben. Dann kennen sie den Alltag und waren mit der einen oder anderen Fragestellung schon mal konfrontiert. So leben Schulungen vom Erfahrungsaustausch. Ohnehin basiert vieles auf der Kläranlage auf Erfahrung, deshalb ist der Austausch auch so wichtig. Die Ausbildung wird immer umfangreicher, die Anforderungen im Betrieb der Anlagen werden immer höher. Welches Profil hat der Klärmeister von heute? Basisqualifikationen sind nach wie vor die handwerklichen Berufe: Elektriker, Schlosser, Landmaschinenmechaniker beispielsweise. Daran hat sich nichts geändert. Und: Es sollte eine kommunikative Person sein. Kommunikation ist mit etwas vom Wichtigsten, gegenüber dem Kanton, aber auch in der persönlichen Umgebung, im Verein, am Stammtisch. Die Arbeit präsentieren können, Wertschätzung erreichen. Obschon das Recruiting anspruchsvoll ist und ein Arbeitgeber nicht immer von Bewerbungen überschwemmt wird: Er sollte sich nicht nur aufs Fachliche, aufs Formale konzentrieren. In der Vergangenheit kam es schon vor, dass man seitens der Gemeinde unterschätzte, welche Aufgabe hinter der des Klärmeisters steht, was seine Arbeit bedeutet. Und dann jemanden suchte, der das eben noch ‹mitmacht›. Diese Situation hat sich stark verbessert. Last but not least: Die Ausbildung ist aufwändig, sie ist kostspielig. Das wird mitunter kritisiert. Die Ausbildung zum Klärwerkfachmann bzw. zur Klärwerkfachfrau mit eidgenössischem Fachausweis dau02| 2019 8 | 9

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