transfer Ausgabe 01 | 2022

Gelungenes Outsourcing

Der Brunnenmeister ist ein externer Dienstleister

Gebenstorf im Kanton Aargau ist eine Gemeinde mit rund 5'600 Einwohnerinnen und Einwohnern. Da der Brunnenmeister das Pensionsalter erreichte, stellte sich die Frage nach seiner Nachfolge. Die Gemeinde wählte schliesslich eine andere Option: Sie hat die Aufgabe an einen externen Dienstleister ausgelagert.

Anderthalb Jahre blieben der Gemeinde, um eine geeignete Nachfolge für ihren langjährigen Brunnenmeister zu finden: Dann wollte dieser seine verdiente Pension antreten. «Uns war bewusst, dass es sehr schwierig werden würde, die Stelle nachzubesetzen. In unserer Region besteht ein grosser Fachkräftemangel. Selbst deutlich grössere Gemeinden suchten in der Vergangenheit erfolglos», erinnert sich Dominic Suter, Leiter Bau und Planung der Gemeinde Gebenstorf, zu dessen Abteilung auch die Wasserversorgung zählt. Bei einer kleinen Gemeinde wie Gebenstorf stünden kaum einmal 100 Stellenprozente für die Aufgaben des Brunnenmeisters zur Verfügung, wie Suter weiter erwähnt. Damit verbunden seien betriebliche Herausforderungen, wie die Abdeckung von Stellvertretung und Pikettdienst. Hinzu kämen die steigenden Anforderungen an die Wasseraufbereitung sowie die zunehmenden gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollen und Sicherheitsbestimmungen. «Benötigt wird dazu ein immer grösseres Fachwissen, was eine permanente Weiterbildung erfordert, sowie der sichere 24/7-Betrieb, was mit einem solch knappen Stellenplan nicht zu bewältigen ist», bekräftigt Dominic Suter.

«In unserer Branche ist es allgemein schwierig, Fachkräfte zu finden. Ausser man wirbt ab. Und das kam für uns nicht in Frage.»

 

Dominic Suter, Leiter Bau und Planung, Gemeinde Gebenstorf

Denken in Varianten

In der Geschäftsleitung der Gemeindeverwaltung wurden deshalb weitere Optionen betrachtet: die Erweiterung der zwar im Gemeindebesitz befindlichen, aber eigenständigen Elektrizitätsversorgung Gebenstorf AG mit der Wasserversorgung, oder als Alternative die Auslagerung der Aufgaben des Brunnenmeisters an externe Dienstleister. «In der Zusammenlegung der Wasserversorgung mit derjenigen einer Nachbargemeinde gäbe es grundsätzlich ja noch eine weitere Variante», erwähnt Dominic Suter. «Dies hatten wir jedoch bereits vor Jahren geprüft und schon damals aus Kostengründen ausgeschlossen.»

Zukunftsfähige Wasserversorgung

Gebenstorf stellte sich damit zunächst die Frage, wie zukünftig die «richtige» Organisation aussehen müsste, damit die Aufgaben der Wasserversorgung sicher zu erfüllen sind und diese gleichzeitig mit attraktiven Arbeitsplätzen verbunden werden können. «Wir stellten dabei rasch fest, dass wir zur Beantwortung zunächst Begriffe und Rahmenbedingungen klären mussten», resümiert Suter. Dazu holte sich die Gemeinde Unterstützung bei einem externen Beratungsunternehmen. In einer vorgelagerten Analyse untersuchte man gemeinsam in einer eigens geschaffenen Projektgruppe die verschiedenen Organisations- und Zusammenarbeitsformen im Hinblick auf eine nachhaltige Wasserversorgung. Die Erkenntnisse wurden so strukturiert, dass Vor- und Nachteile sowie der Nutzen für die Gemeinde sichtbar wurden. «In Folge konnten wir mit dem Gemeinderat sehr gezielt darüber befinden, in welchen Teilen wir zukünftig als Eigentümer unsere Verantwortung wahren, und wo wir die Aufgaben des Betreibers zuordnen wollen», so Suter weiter.

Getrennte Rolle von Eigentümer und Betreiber

Bislang war die Gemeinde gleichzeitig Eigentümer und Betreiber der Anlagen. Nur einzelne Aufgaben, wie etwa der Pikettdienst oder wenn besondere Gerätschaften oder Spezialwissen erforderlich waren, wurden an Dritte ausgelagert. Klar war indes, dass ein Übertrag des Eigentums an einen Dritten kaum mehrheitsfähig wäre und deshalb nur Lösungen weiterverfolgt werden konnten, welche dies nicht erforderlich machten. Den Transfer der Anlagen der Wasserversorgung in die gemeindeeigene Aktiengesellschaft erachtete man überdies nur dann als sinnvoll, wenn dabei eine übergreifende Betriebsorganisation entstehen würde. Zudem würde es bedeuten, dass man das benötigte Spezialwissen erst aufbauen und in der Zukunft auch beständig weiterentwickeln müsste.

Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken der verschiedenen Varianten wurden einander gegenübergestellt und bewertet, verschiedene Gemeinden nach ihren Erfahrungen im Zusammenhang mit der ausgelagerten Funktion des Brunnenmeisters befragt. «Die Vorteile, den Betrieb unserer Primäranlagen sowie des Verteilnetzes an eine einzige Organisation auszulagern, lagen schliesslich für uns auf der Hand und überzeugten als konsequenteste Umsetzung unserer Vorstellungen», fasst Dominic Suter den Entscheidungsprozess zusammen. Die Gemeinde bleibt damit im Besitz der Anlagen und verantwortlich für Inhalte und Termine von Instandhaltung und Ausbau. Und sie behält die Autonomie in der Festsetzung der Wassergebühren.

Ausschreibung der Dienstleistung

Schliesslich kamen hierfür zwei Betriebsorganisationen mit einem bestehenden Dienstleistungsangebot in Frage. Um einen endgültigen Entscheid treffen zu können, wurde ein detaillierter Anforderungskatalog mit den vom externen Dienstleister zu erfüllenden Aufgaben erstellt und den beiden Unternehmen im Rahmen einer Ausschreibung dargelegt. «Wir standen vor, während und nach unserer Entscheidung in persönlichem Kontakt mit den beiden angefragten Organisationen», beschreibt Suter ein wohl eher ungewöhnliches Vorgehen im Bieterprozess. «Uns war Offenheit und Transparenz unseres Beschlusses wichtig, und das wurde sehr gut aufgenommen. Auch vom letztlich unterlegenen Anbieter.» Suter ist wichtig zu erwähnen, dass beim Vergabeentscheid nicht nur die betriebswirtschaftlichen Fakten zählten: «Wir wollten von den Bietern beispielsweise ebenso erfahren, wie sie ihre zukünftige Rolle wahrnehmen wollen, wie sie die Bevölkerung einbinden, und vor allem, wie sie den Kontakt pflegen.»

Keine Ressentiments, reibungsloser Übergang

Mit 1. Januar 2022 haben nun die Industriellen Betriebe Brugg (IBB) die Betriebsaufgabe der Wasserversorgung Gebenstorf und die Aufgaben des Brunnenmeisters übernommen. «Der Übergang war wirklich reibungslos», attestiert Dominic Suter. «Und natürlich sind wir sehr dankbar dafür, dass uns Erich Wittwer, unser ehemaliger und nun frisch pensionierter Brunnenmeister, bei der Übergabe und Einführung beratend zur Seite stand und so all das schwer dokumentierbare Wissen weitergeben konnte.»

Gebenstorf ist sich sicher, dass in der gewählten Organisationsform die weitere Professionalisierung ihrer Wasserversorgung gelingt. Mit der IBB als anerkannt erfahrenem Partner wird man den zukünftigen Herausforderungen mit einer umfassenden fachlichen Kompetenz begegnen und die geforderten Pikettdienste mit einer grösseren Anzahl von zur Verfügung stehenden Fachkräften bestens erfüllen können.

«Mit einem erfahrenen Partner erreichen wir eine hohe Professionalisierung des Betriebs, und haben Stellvertretung und Pikett abgedeckt.»

Die Entscheidung von Projektgruppe und Gemeinderat fand deshalb uneingeschränkte Zustimmung in der Gemeindeversammlung, der man die neue Organisation und die damit verbundenen Budgets präsentierte. «Im Grunde hat sich nahezu nichts verändert: die Infrastruktur ist weiterhin im Besitz der Gemeinde und der Brunnenmeister bleibt in seiner beratenden Funktion für uns erster Ansprechpartner, wenn auch als Externer. Und dabei weichen die nun entstehenden Kosten nicht einmal gravierend von jenen der bisherigen Vollzeitstelle ab», ist Suter mit dem Verlauf des Prozesses und der getroffenen Entscheidung mehr als zufrieden.

Bildnachweis: iStock/Pict Rider (Titelbild); Paebi, CC BY-SA 3.0; Andre Urech