transfer Ausgabe 02 | 2015

Zukunfts­orientierte Klär­schlamm­verwertung

Zentrale Anlage in Zürich mit wegweisender Ressourcenpolitik

Mit der Klärschlammverwertungsanlage am Standort des Klärwerks Werdhölzli wurden im Kanton Zürich die Voraussetzungen für die zukunftssichere, ökologisch und ökonomisch richtige Entsorgung von Klärschlamm geschaffen. Zudem wurde eine entsprechende Ausbaureserve für die Phosphorrückgewinnung vorgesehen, womit die Energienutzung schon bald weiter optimiert werden kann.

Vor zehn Jahren hat der Kanton Zürich bereits die Planung für eine koordinierte Klärschlammverwertung lanciert. Der Entscheid für den Standort Werdhölzli, zwischen der Limmat und der bestehenden Schlammentwässerungsanlage des Klärwerks, war Ergebnis eines längeren Evaluationsprozesses: «Dabei ging es nicht nur um die zu erwartenden Entsorgungskosten an sich, sondern auch um mögliche Potenziale der Energienutzung am Standort, um die CO2-Bilanz im Gesamten sowie um die Kosten und Auswirkungen der Transportlogistik zur Anlieferung des Klärschlamms», resümiert Peter Wiederkehr, Leiter des Geschäftsbereichs Klärwerk Werdhölzli und stellvertretender Direktor von Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ). «Bei der Standortentscheidung ebenfalls berücksichtigt wurde schon damals das Potenzial für den späteren Ausbau der Anlage zur Phosphorrückgewinnung.»

Kompakt und energetisch höchst effizient

Etwas mehr als 2'000 m2 Fläche beansprucht die gesamte Klärschlammverwertungsanlage, bestehend aus dem Anlieferungsbereich mit Bunkerräumen für die Schlammlagerung, der Vortrocknung, dem Wirbelschichtofen mit Heizkessel, der Rauchgasreinigung sowie den Silos. Sie hat eine Jahreskapazität von 100'000 Tonnen entwässertem Klärschlamm (EKS), gerechnet mit einem Anteil von rund 30 Prozent Trockensubstanz. In zwei Scheibentrocknern wird diese auf 45 Prozent erhöht. Dies ermöglicht eine selbstständige Verbrennung im Wirbelschichtofen, «dem Herzstück der Anlage», so Michael Wehrli, Leiter der Abteilung Schlamm. Über einen sogenannten Wurfbeschicker wird der Schlamm gleichmässig im Brennraum auf einer Fläche von 12.5 m2 verteilt.

Düsen im unteren Bereich des Ofens sorgen für eine optimale Luftverteilung und halten gleichzeitig ein darüber liegendes Sandbett in der Schwebe. Dieses dient zum einen als Wärmespeicher und hält die Temperatur auf einem Niveau zwischen 850°C und 950°C, zum anderen zerkleinert es den verbrennenden Klärschlamm. Bei dieser Temperatur verbrennen die organischen Bestandteile des Schlammes vollständig und das noch vorhandene Wasser verdampft. Die anorganischen Teile durchströmen zusammen mit dem Rauchgas einen Heizkessel und geben hierbei den Hauptteil ihrer Energie an einen Wasser-/Dampfkreislauf ab. Der Wasserdampf treibt eine Turbine an, die jährlich etwa 7 Mio. kWh elektrischen Strom produziert. Der Turbinenabdampf liefert zudem jährlich rund 25 Mio. kWh Wärmeenergie. Diese dient als Prozessenergie für den Schlammtrockner und den Entgaser in der Klärschlammverwertung sowie als Heizwärme zur Förderung der Verwertungsprozesse bei der Abwasserreinigung selbst und als Heizwärme für die Gebäude.

Wertvolle Synergien

So konnten auf dem Areal des Klärwerks Werdhölzli bezüglich Energiebedarf und Energierückgewinnung wertvolle Synergien geschaffen werden: «Bislang haben wir mit Gasmotoren die bei der Abwasserreinigung entstehenden Klärgase verbrannt und damit Prozesswärme und Strom erzeugt», erklärt Michael Wehrli. Dieses Klärgas wird jetzt zu Biogas aufbereitet und ins Erdgasnetz der Stadt Zürich eingespeist – jährlich 5 Mio. Kubikmeter, die den Wärmebedarf von rund 5'000 Wohnungen decken. «Da Biogas weitestgehend CO2-neutral ist, vermindern wir damit auch den Ausstoss von Treibhausgasen um rund 14'000 Tonnen pro Jahr», ergänzt Peter Wiederkehr.

«Bei den schnell reagierenden Dampfsystemen ist höchste Fehlersicherheit in der Prozesssteuerung gefragt.»

Schnelle Prozesse, hohe Sicherheitsrelevanz

Klärprozesse sind verfahrenstechnisch zwar sehr komplex, aber langsam ablaufend und in punkto Sicherheit wenig kritisch. Ganz anders die Prozesse der Klärschlammverwertung, beispielsweise aufgrund der hohen Temperaturen und Nenndrücke im Verbrennungsprozess und Dampfkreislauf. «Dampfsysteme reagieren sehr schnell. Das brachte manche Neuerung für uns, die es auf die Leittechnik umzusetzen galt», so Michael Wehrli. Gelungen ist dies sehr zur Zufriedenheit des Betreibers mit dem Rittmeyer Prozessleitsystem RITOP, welches bereits im Klärwerk Werdhölzli zum Einsatz kommt und vollständig in dieses eingebunden ist. Die Leitebene ist auf redundanten, im Hot-Standby betriebenen RITOP-Servern aufgebaut, und wie bereits im Klärwerk setzte Rittmeyer auch bei der Klärschlammverwertung auf ein durchgängiges Konzept vom Prozessleitsystem bis in die Feldebene. Fünf Automatisierungsstationen teilen sich die Steuerung von Schlammtransport und Trocknung, thermischer Anlage, Rauchgasreinigung sowie der zentralen Infrastruktur. Eine Besonderheit ist die Automatisierungsstation, welche überlagernd das gesamte Verfahren kontrolliert: «Hier ist höchste Fehlersicherheit in der Prozesssteuerung erforderlich. Deshalb wurden diese Funktionen auf einer fehlersicheren Steuerung implementiert», erklärt Michael Wehrli.

Absolut sauber

Das im Kessel auf etwa 200°C heruntergekühlte Rauchgas wird in einem mehrstufigen Prozess aus Elektrofilter, Sprühabsorber und zweistufigem Wäscher gereinigt, entstaubt und weiter abgekühlt. Letztlich verlässt es als sauberer und geruchsloser Wasserdampf über einen 37 m hohen Kamin die Anlage. Die im Elektrofilter abgeschiedene Asche wird in zwei Aschesilos gespeichert. Rund 14'000 Tonnen verbleiben jährlich – als Ausgangsmaterial zur Rückgewinnung des darin enthaltenen, wertvollen Phosphors.

Vorreiter im Phosphor-Recycling

Phosphor ist für das Leben und für das Wachstum von Pflanzen unerlässlich. In der Landwirtschaft wird er deshalb in Form von Mineraldünger in grossen Mengen verwendet. Bisher wurde dieser wertvolle Rohstoff zwar aus dem Abwasser eliminiert, aber nicht wiederverwendet. Der Kanton Zürich möchte auch dabei eine Vorreiterrolle übernehmen und hat bereits eine entsprechende Ausbaureserve für die Phosphorrückgewinnung im Werdhölzli vorgesehen.

Dutzende von Verfahren, die an den unterschiedlichsten Stellen der Abwasserbehandlungskette ansetzen, wurden in den vergangenen Jahren geprüft. Das Recycling aus der Klärschlammasche gilt dabei als das vielversprechendste: «Bis zu 90 Prozent des Phosphors können aus der Asche rückgewonnen werden. Zudem werden die organischen Schadstoffe bei der Verbrennung eliminiert», erklärt Peter Wiederkehr. Allerdings sind die Verfahren noch nicht praxistauglich, weshalb die Asche im Moment noch in einer Deponie zwischengelagert wird. «Die Frage ob und wie Phosphor rezykliert wird, stellt sich nicht mehr», erklärt Peter Wiederkehr, «einzig der Zeitpunkt, ab wann dies auch wirtschaftlich sinnvoll ist, ist noch offen. Letztlich geht es uns darum, ein qualitativ hochwertiges, marktfähiges Phosphorprodukt bereitzustellen.»

Rund 30% des anfallenden Klärschlamms im Kanton Zürich entsteht im Werdhölzli selbst. Die restlichen Mengen werden von den anderen Kläranlagen im Kanton mit Lastwagen angeliefert, «was je nach Standort grössere Transportdistanzen und damit höhere Kosten für die Betreiber bedeutet», so Peter Wiederkehr. Die Stadt Zürich, welche ihren Klärschlamm ohne Transportkosten einliefern kann, stellt deshalb jährlich 250'000 Franken zur Verfügung – als Transportkostenausgleich für die weiter entfernten Kläranlagen. In einem ausgeklügelten Modell werden dabei die Unterschiede in den Transportaufwendungen ausgeglichen und so Ungerechtigkeiten vermieden.

«Bis zu 90 Prozent des Phosphors können aus der Asche rückgewonnen werden.»

Tiefe Kosten – und ökologisch optimal

Rund 68 Mio. Schweizer Franken hat der Bau der zentralen Klärschlammverwertung im Werdhölzli die Stadt Zürich gekostet. Demgegenüber steht die nun weitaus effizientere und kostengünstigere Verwertung im Vergleich zu den zahlreichen, über das ganze Kantonsgebiet verteilten Kleinanlagen. Und wenn dereinst der im Klärschlamm enthaltene Phosphor wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt wird, dann darf der Kanton Zürich dies als weiteren Meilenstein seiner Ressourcenpolitik sehen: Die Hinterlassenschaften der modernen Gesellschaft enthalten nicht nur Abfall, sondern wertvolle Rohstoffe, die dem Kreislauf zurückzugeben sind, «zum Nutzen von Mensch und Umwelt», wie Peter Wiederkehr schliesst.

Bildnachweis: ERZ Entsorgung + Recycling Zürich