transfer Ausgabe 01 | 2019

Verwenden statt Verwerfen

Phosphor-Recycling aus Klärschlamm

1. Januar 2026 – ein Datum, bei dem Abwasserreinigungsanlagen (ARA) und Klärschlammverwertungsanlagen hellhörig werden dürften. Ab diesem Zeitpunkt ist die Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm und Abwasser Pflicht. Das wirft viele Fragen auf: Wie viel muss rückgewonnen werden? Wie ist das technisch lösbar? Und: Wer bezahlt das überhaupt?

Sichere Versorgung mit reinem Rohstoff

Die Schweiz importiert jährlich tausende Tonnen phosphorhaltige Düngeprodukte für die Landwirtschaft, aus Ländern mit teilweise fragwürdigen ökologischen und sozialen Bedingungen. «Wir sind vom Ausland abhängig. Zudem sind in einem Teil der Dünger problematische Anteile an schädlichem Uran und Cadmium enthalten», fasst Dr. Christian Abegglen die heutigen Herausforderungen zusammen. Er ist Leiter des ‹Centre de ­Compétences Abwasserreinigung› beim Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA).

Die Schweiz könnte ihren Bedarf an Phosphor selbst decken, indem sie den Stoffkreislauf schliesst. Die Verordnung über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (VVEA) schreibt deshalb vor, ab dem 1. Januar 2026 Phosphor aus Abwasser und Klärschlamm zurückzugewinnen. Aus den so gewonnenen Nährstoffen kann Recycling-Dünger produziert werden – ohne schädliche Schwermetalle und unabhängig von unsicheren Preisentwicklungen im Ausland.

Heute wird Klärschlamm thermisch entsorgt. Ein grosser Teil des wertvollen Phosphors landet nach der thermischen Behandlung des Schlamms auf Aschedeponien, ein weiterer Teil wird in Zement gebunden und in Gebäuden verbaut.

Weiter Weg, klares Ziel

Derzeit gibt es weltweit nur wenige grosstechnische Anlagen zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm. Eine Ergänzung der Entsorgungsinfrastruktur ist nötig. «Mache ich das als Kläranlage alleine oder ­suche ich mir Partner für den Bau einer ­möglichst grossen Rückgewinnungsanlage? Muss Reserve einkalkuliert werden für weitere Anlagenbetreiber, die später dazukommen? Wer gibt den Auftrag zum Bau, wer baut die Anlage? Da stellen sich einige Fragen», so Dr. Abegglen.

«Die ­künftigen Betreiber von Phosphor­rückgewinnungs­­anlagen müssen Planungssicherheit haben.»

Dr. Christian Abegglen, Leiter des ‹Centre de Compétences Abwasserreinigung›, Verband Schweizer Abwasser- und Gewässer­schutzfachleute (VSA)


Kläranlagenbetreiber sind daran interessiert, ihren Klärschlamm weiterhin sicher und möglichst günstig entsorgen zu können. Die Phosphorgewinnung darf den Verwertungsprozess also nicht verzögern. Weiteres Ziel des VSA ist es, dass ausschliesslich erprobte, umweltfreundliche und wirtschaftliche Technologien für die Rückgewinnung genutzt werden, die sich auch in bestehende Entsorgungsinfra­strukturen integrieren lassen: «Falls die Hindernisse für den koordinierten Bau solcher Anlagen zu gross sein sollten, müssten meiner Meinung nach die gesetzlichen Fristen überprüft werden.»

«Wir wollen auf gute Lösungen hinarbeiten, auch wenn es ein bisschen länger dauern sollte.»

Möglichkeiten der Gewinnung

Es existieren weltweit verschiedene verfahrenstechnische Ansätze, in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Einige Pilotanlagen in der Schweiz und Umgebung erproben deshalb unterschiedliche Technologien zur Phosphorrückgewinnung, die auch den Vorstellungen des VSA genügen. Sie unterscheiden sich sowohl im Aufwand als auch dem möglichen Rückgewinnungsgrad.

Aus Faulschlamm lassen sich – nach heutigem Wissen – zwischen 30 und 50% des Phosphors zurückgewinnen. Der Schlamm wird dafür unter hohem Druck chemisch-­physikalisch behandelt. «Der eher tiefe Wirkungsgrad ist im Moment noch der Nachteil dieses Verfahrens, das die ARA Bern gerade testet – dafür ist der Klärschlamm weiterhin für die Zement­industrie und Klärschlammverwertungsanlagen nutzbar.»

Die ARA Altenrhein hingegen gewinnt in ihrem Pilotprojekt den Phosphor durch eine pyrolytische Zersetzung aus getrocknetem Klärschlamm. Dadurch lässt sich phosphorhaltiger Dünger ohne weitere Reststoffe herausholen. «Die Rückgewinnungsquote liegt hier etwa bei 90%», so Dr. Abegglen über den Wirkungsgrad.

Eine dritte Möglichkeit besteht in der Gewinnung aus der Klärschlammasche, die bis zu 8% Phosphor enthält. Durch nass- oder thermo-chemische Methoden können auch hier rund 90% des Phosphors rückgewonnen werden. «Diesen Weg verfolgt beispielsweise der Kanton Zürich. Bei diesem Verfahren wird Phosphorsäure produziert, die auch für andere Industrien genutzt werden kann. Sie ist gut handelbar und lässt sich exportieren.»

«Eine Vorgabe der bezüglich der Technologien wäre nicht sinnvoll.»

Die Auswahl des optimalen Verfahrens hängt von den grosstechnischen Möglichkeiten der vorhandenen Technologien, bestehenden Ressourcen sowie der Anlagengrösse ab. Christian Abegglen: «Für den Grossteil der ARA ist wohl der vielversprechendste Weg Entwässerung, Monoverbrennung, Rückgewinnung aus der Asche. Das ist aber nur mein persönliches Bauchgefühl. Zum heutigen Zeitpunkt wäre eine Vorgabe bezüglich der zu verwendenden Technologien aus meiner Sicht nicht sinnvoll, genauso wie die Forderung einer möglichst hohen Rückgewinnungsrate. Die Umsetzbar­keit und Wirtschaftlichkeit der einzelnen Verfahren sind noch zu ungewiss.»

Für Christian Abegglen wären zeitlich abgestufte Zielwerte für den in der Schweiz gesamthaft zurückzugewinnenden Phosphor zielführender. Aus der Asche heutiger Klärschlammverwertungen beispielsweise liesse sich etwa 90% des gesamten im Klärschlamm vorhandenen Phosphors wieder in den Kreislauf zurückführen.

«Das Ziel der Reise ist klar, aber der Wegweiser steht noch nicht.»

Die Frage der Finanzierung

Das Projekt ‹Swiss Phosphor› führt die verschiedenen Akteure zusammen und soll zukünftig die Arbeiten auf dem Weg zum Phosphor-Recycling für die Schweiz koordinieren. Branchen- und interessengruppenübergreifend werden hier Fragen nach der benötigten Infrastruktur und Kapazitäten, und ebenso Finanzierungsmodelle für das ­Recycling diskutiert. Das ist wichtig, denn nach den ersten Erfahrungen aus den Pilotprojekten übersteigen die Kosten der Rückgewinnung voraussichtlich die möglichen Erlöse. «Bei der Finanzierung ist Verschiedenes denkbar. Man könnte sich fragen: Muss das über Abwassergebühren finanziert werden? Es wäre ja auch eine Abgabe auf importierten Mineraldünger denkbar – quasi ein Phosphorrappen. Es gilt, verschiedene Ansätze zu betrachten», so Dr. Abegglen abschliessend.

Bildnachweis: iStock/Ricardo Gomez (Titelbild)

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4'200 Tonnen in die Schweiz importierter Phosphor in phosphorhaltigen Düngeprodukten (2015)

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8'300 Tonnen in die Schweiz importierter Phosphor in Nahrungs- und Futtermitteln (2015)

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6'500 Tonnen Phosphor gelangen über Ausscheidungen ins Abwasser

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6'000 Tonnen Phosphor aus Klärschlamm gehen heute in Schlackedeponien und Zementwerken verloren

Weiterführende Informationen

Der Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) hat zum Thema Phosphor-Recycling aus Abwasser und Klärschlamm ein umfassendes Positionspapier verfasst – als PDF hier zu lesen.