transfer Ausgabe 01 | 2018

Trinkwasser­ressourcen für die Zukunft sichern

Über Aufgaben, denen sich Politik und Wasserversorger stellen müssen

Trinkwasser ist ein Thema, das Emotionen weckt! Dessen Qualität ist in der Schweiz hervorragend, auch wenn populistische Schlagzeilen in den Medien manchmal ein anderes Bild zu zeichnen versuchen. Klar ist jedoch: Sauberes Trinkwasser erfordert eine vorausschauende Planung. Denn nur wenn die Ressourcen gesichert sind, wird die Schweiz auch in Zukunft über qualitativ hochwertiges Wasser verfügen. Martin Sager, Direktor des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfaches (SVGW), hat mit uns über notwendige politische Aufklärungsarbeit und die wichtigen Aufgaben von Trinkwasserversorgern gesprochen.

Herr Sager, immer wieder liest und hört man in den Medien Schreckensmeldungen, wonach im Trinkwasser Fremdstoffe gefunden wurden, die da nicht hineingehören. Wie ist es um das Wasser in der Schweiz tatsächlich bestellt?

Ganz generell gilt: Die Trinkwasserqualität ist einwandfrei! Die Frage nach Fremdstoffen im Wasser dominiert aber aktuell die tägliche Diskussion. Nur: Fremdstoffe waren schon immer im Wasser enthalten – unsere Gesellschaft hinterlässt eben Spuren. Mit immer besseren Messverfahren lassen sich inzwischen deutlich mehr und kleinste Spuren von Verunreinigungen feststellen. Aber ich möchte klar festhalten, dass unser Trinkwasser heute von sehr guter Qualität ist. Wir haben gutes Wasser und die Wasserversorger setzen alles daran, dieses Qualitätsniveau zu halten. Aber, und auch das ist klar, wir alle sollten auf der Hut sein und durch geeignete Massnahmen vorsorgen, um diesen Zustand nicht zu gefährden.

Welche konkreten Anliegen sind es, die Sie und den SVGW dabei umtreiben?

Unser Thema ist der qualitative und quantitative Gewässerschutz, wobei wir uns folgende Fragen stellen: Woher bekommen wir das Wasser in der Zukunft, in welcher Qualität und in welcher Menge? Sind unsere Trinkwasserressourcen, also insbesondere die Grundwasservorkommen ausreichend gesichert? Oder sind sie bedroht durch räumliche Entwicklungen; beispielsweise durch die schleichende Ausweitung von Siedlungen und Infrastrukturen, durch Intensivlandwirtschaft sowie durch Strassen oder Abwasserkanäle, die eine Gefährdung für das Grundwasser darstellen? Technisches Wissen und dessen praktische Umsetzung allein genügen für eine sichere und nachhaltige Wasserversorgung nicht.

«Der Schutz der Trinkwasserressourcen ist in erster Linie eine gesellschaftliche Aufgabe, der sich die Politik stellen muss.»

Wo besteht in der Politik Handlungsbedarf?

Trinkwasser ist ein unersetzliches Lebensmittel für alle und die Trinkwasserqualität ist ein zentraler Pfeiler der Volksgesundheit. Bedenklich ist, dass erst rund 60 Prozent der Schutzzonen rechtskräftig ausgeschieden sind. Die für die Trinkwasserversorgung künftiger Generationen erforderlichen Wasservorkommen und Versorgungsanlagen sollten zudem im Rahmen verbindlicher kantonaler Richtpläne und belastbarer Wasserressourcen-Nutzungsplanungen gegen Risiken gesichert werden. Bei bestehenden Konfliktnutzungen ist die Trinkwasserversorgung zu priorisieren: Es sollten nicht einfach Fassungsstandorte infrage gestellt, sondern situativ angepasste Gewässerschutzmassnahmen ergriffen werden.

Wie können unsere Trinkwasserressourcen qualitativ geschützt werden?

Für uns gilt in dieser Hinsicht das Vorsorgeprinzip: Zunächst einmal fordern wir, dass möglichst keine unerwünschten Fremdstoffe ins Trinkwasser kommen. Auch dann nicht, wenn sie heute noch als ökotoxikologisch unbedenklich gelten. Hier gilt es, alle ins Boot zu holen: Gelänge ein Umdenken in der Landwirtschaft, bei Industrie- und Gewerbebetrieben, aber auch bei den Privathaushalten und Gemeinden, wäre ein grosser Schritt getan. Zentrale Ansatzpunkte sind dabei das Reduzieren des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft im Einflussbereich der Trinkwasserfassungen, die Vorbehandlung problematischer Abwässer beim Verursacher oder technische Massnahmen bei der Abwasserreinigung.

In diesem Zusammenhang gilt es ebenso, bestehende Praktiken im Vollzug zu hinterfragen. Beispielsweise wird heute das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel im Bundesamt für Landwirtschaft abgewickelt. Wir sehen hier einen Interessenkonflikt und die Gefahr, dass der nachhaltige Schutz von Trinkwasserressourcen dabei nicht ausreichend beachtet werden könnte. Dabei geht es nicht darum, einen Keil zwischen Landwirtschaft und Wasserversorger zu treiben. Im Gegenteil: Wir stehen in regelmässigem Kontakt mit dem Bauernverband und versuchen Lösungen zu entwickeln, wie die beiden Lebensmittelproduzenten ‹Landwirt› und ‹Wasserversorger› bestmöglich ihre Aufgaben für die Konsumenten und für sich erfüllen können.

 

 

«Natürlich könnte man argumentieren, dass man heute mit entsprechenden Methoden bildlich gesprochen schon ‹aus jeder Pfütze Trinkwasser machen› kann. Eine generelle Aufbereitung von Wasser zu Trinkwasser ist jedoch kostenintensiv und entspricht weder der Strategie des SVGW noch dem Wunsch der Bevölkerung.»

Tatsache ist, dass rund 70 Prozent unseres Trinkwassers heute gar nicht oder nur leicht – z. B. vorbeugend mittels UV-Desinfektion – aufbereitet werden. Auch in Zukunft soll es möglich sein, dass unser wichtigstes Lebensmittel in hervorragender Qualität, in ausreichendem Umfang und kostengünstig zur Verfügung steht. Das ist auch eine berechtigte Forderung der Konsumenten, wie unsere Umfragen belegen.

Welche konkreten Herausforderungen müssen Trinkwasserversorger dabei meistern?

Die Sicherstellung einer einwandfreien und gesetzeskonformen Trinkwasserqualität sowie die höchstmögliche Versorgungssicherheit haben oberste Priorität in den Versorgungsunternehmen. Dazu bedarf es gut ausgebildeten Fachpersonals sowie geeigneter Anlagen, Verfahren und Massnahmen. Die Konsumenten erwarten gesundes, lokal produziertes Trinkwasser. Sie können ihren Wasserversorger nicht wechseln und erwarten deshalb von ihm Trinkwasser in guter Qualität, Zuverlässigkeit und einen effizienten, wirtschaftlichen Betrieb.

Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf den kostenintensivsten Teil der Wasserversorgung – die weitverzweigten Rohrleitungen im Untergrund – geworfen werden. Sie müssen fortlaufend instandgehalten und erneuert werden. Um die Wasserversorgung für die kommenden Generationen sichern zu können, braucht es stetige Investitionen. Die notwendigen Gelder sollten mit kostendeckenden und nachhaltigen Gebühren und Beiträgen sichergestellt sowie zweckgebunden eingesetzt werden.

Darüber hinaus empfehlen wir, die Wasserversorgung weiter zu professionalisieren: Durch gut ausgebildetes Personal, aber auch durch eine wirtschaftliche und optimierte Struktur der Wasserversorgungen – sowohl in der Betriebsführung als auch auf technischer Seite.

Im Weiteren braucht es konstruktive Lösungen zur Bewältigung von Interessenkonflikten bei bestehenden und zukünftigen Wasserfassungen und Schutzzonen. Der Wasserversorger kann hier Einfluss nehmen auf den Kanton, indem er fordert, dass z. B. Schutzzonen rechtskräftig ausgeschieden werden. Gleichzeitig könnte er in der Gemeinde Vereinbarungen mit Gewerbebetrieben, die risikobehaftet sind, treffen.

«Gemeindeübergreifende Kooperationen sind eine sehr vielversprechende Gegenstrategie bei Wasserknappheit.»

Welche Themen sollten Trinkwasserversorger in Ihren Augen schon heute proaktiv angehen?

Ich denke, dass in Zukunft Kooperationen – auch gemeindeübergreifend – von grosser Bedeutung sein werden. Mit dieser Forderung treffen wir oft einen wunden Punkt: Das Wasser aus ‹der gemeindeeigenen Wasserversorgung› ist und bleibt ein emotionaler Aspekt und der Stolz vieler Gemeinden. Die überregionale Planung wird jedoch dann wichtig, wenn es um die Versorgungssicherheit geht. Wir nehmen an, dass der Klimawandel in der Schweiz durch vermehrt auftretende, regionale Wasserknappheit wie z. B. im Hitzesommer 2003 spürbar wird. Gemeindeübergreifende Kooperationen sind hier eine sehr vielversprechende Gegenstrategie, wie einige erfolgreiche Beispiele bereits zeigen. Deren Umsetzung braucht jedoch Zeit, weshalb die Trinkwasserversorger schon jetzt mit der notwendigen Aufklärungs- und Planungsarbeit beginnen sollten.

Eine weitere wichtige Aufgabe der Wasserversorger ist aus meiner Sicht der Kontakt zur Bevölkerung. Verpflichtend ist ja, dass diese regelmässig über die Qualität ihres Trinkwassers informiert wird. Es zahlt sich in unseren Augen jedoch aus, wenn man hier Engagement zeigt. Über die eigentlichen Verpflichtungen hinaus. Und proaktiv! Unser Appell ist deshalb: informieren, informieren, informieren! Denn nur wenn der Wasserversorger das Vertrauen der Bevölkerung hat, kann er den sogenannten ‹Schreckensmeldungen› in den Medien glaubwürdig begegnen.

Herr Sager, wir danken für das Gespräch. 

* Der Schweizerische Verein des Gas- und Wasserfaches SVGW hat seinen Hauptsitz in Zürich und Aussenstellen in Schwerzenbach, Lausanne und Bellinzona. Seine Geschichte beginnt mit der Gründung im Jahr 1873 als ‹Verein von Gasfachmännern in der Schweiz›. Im Jahr 1887 wurde dieser ausgeweitet auf das Wasserfach, seit 2015 beinhalten die Statuten auch die Fernwärme(-kälte). Mit dem Ziel der sicheren und nachhaltigen Wasser-, Gas- und Wärmeversorgung koordiniert der Verein die Akteure, engagiert sich in der Aus- und Weiterbildung und versucht, den Interessen der Branche in der Öffentlichkeit und Politik Gehör zu verschaffen. Weitere Informationen finden Sie 

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