Trinkwasser nachhaltig nutzen

Wirtschaftliche Trinkwasser­kraftwerke bewähren sich in Pongauer Stadtgemeinde

In St. Johann im Pongau setzt man auf die Kraft des Trinkwassers: Zwei eigene betreibt die Stadtgemeinde selbst, an zwei weiteren ist sie beteiligt. Seit drei Jahren ist das Trinkwasserkraftwerk Bauhof in Betrieb und hat seitdem in der Praxis mehr als überzeugt. Dementsprechend positiv fällt die Bilanz der Betreiber aus: Rund 600'000 kWh sauberen Strom aus der Energie der Marbachquellen hat die Anlage bislang erzeugt – und ist dabei nicht einen Tag ungeplant stillgestanden. Das bedeutet, dass das Kraftwerk auch mit entsprechend zuverlässiger Technologie ausgestattet wurde: In der Frage der steuerungs- und leittechnischen Ausrüstung vertraute man dabei – nicht zum ersten Mal – auf die Produkte und das Know-how der Firma Rittmeyer, die auch in Sachen Trinkwasserkraftwerke auf eine lange Referenzliste verweisen kann.

Als so genannte e5-Gemeinde liegt St. Johann im Pongau der nachhaltige Umgang mit lokalen Ressourcen und der Einsatz erneuerbarer Energieträger seit mehr als zwei Jahrzehnten am Herzen. Dies stellte sie in der Vergangenheit eindrücklich unter Beweis, als sie 2008 als erste Bezirkshauptstadt Österreichs mit fünf «e» die höchste Auszeichnung des e5-Programmes entgegennehmen durfte. Wenig überraschend spielt im Nachhaltigkeitskonzept der Verantwortlichen im Stadtgemeinderat seit geraumer Zeit auch die energetische Nutzung der eigenen Trinkwasserquellen eine wichtige Rolle. Nachdem Anfang 2010 bereits das erste stadteigene Trinkwasserkraftwerk im Bereich Hubangerl mit 4,7 kW Leistung in Betrieb genommen wurde, legte man 2017 mit dem Trinkwasserkraftwerk Bauhof noch einmal nach. «Wir verfügen aktuell über die zwei eigenen Trinkwasserkraftwerke und sind darüber hinaus noch bei zwei weiteren Trinkwasserkraftwerken auf Gemeindegebiet beteiligt, die vom Wasserverband Obere Enns betrieben werden», erklärt Wassermeister Gerhard Thurner, der mit seinen beiden Kollegen die stadteigenen Trinkwasserkraftwerke betreut.

Das Kraftwerk das nie stillsteht

Ganz typisch ist das jüngste Trinkwasserkraftwerk von seinem Konzept her eigentlich nicht. Schliesslich wird bei einer herkömmlichen Trinkwasserkraftanlage die Höhendifferenz zwischen dem Quellsammelschacht und dem Hochbehälter zur Stromerzeugung genutzt. Nicht so beim TWKW Bauhof. Hier wird das Überwasser aus dem Hochbehälter unterhalb des Trinkwasserkraftwerks Marbach zur Energiegewinnung herangezogen, indem es von einem voll trinkwassertauglichen Maschinensatz – direkt am St. Johanner Bauhof – turbiniert wird. «Das abgearbeitete Trinkwasser gelangt danach nicht mehr ins Trinkwassernetz, obwohl es perfekt rein ist. Es wird in einen rund 80 m3 fassenden Sammelbehälter geführt und von dort aus zu Kühlzwecken in einen direkt angrenzenden Industriebetrieb geleitet», so Gerhard Thurner. Daher ist auch das Bypass-System, wie man es generell aus Trinkwasserkraftanlagen kennt, in diesem Fall nicht ganz so wichtig. Dennoch muss gewährleistet sein, dass das Wasser im Fall eines ausserplanmässigen Stillstands der Turbine vorbeigeleitet werden kann. Doch dies sei – so der Wassermeister – in den vergangen drei Jahren noch nicht vorgekommen. Für die Pongauer Betreiber hat es sich offensichtlich ausgezahlt, dass man bei der Partnerwahl auf Kompetenz und viel Erfahrung gesetzt hat.

«Die Anlage läuft wirklich hochstabil. Abgesehen von den seltenen Wartungszeiten ist das Trinkwasserkraftwerk noch nicht stillgestanden. Daher haben wir auch grosse Freude mit der Anlage.»


Gerhard Thurner, Wassermeister Trinkwasserkraftwerk Bauhof

Viel Schweizer Know-how im Paket

Das Herz der Anlage besteht aus einer Turbine des Schweizer Spezialisten für Kleinturbinen Häny aus dem St. Galler Rapperswil-Jona. Die kompakte Turbine treibt mit 1'015 Upm einen 6-poligen Asynchrongenerator an, wodurch bei einer Fallhöhe von 92 m und einer Ausbauwassermenge von maximal 55 l/s eine Ausbauleistung von 37 kW erzielt werden kann. Gerade im Trinkwasserkraftbereich zählt Häny zu den führenden Anbietern im Alpenraum. Die innovativen Lösungen des St. Galler Branchenunternehmens garantieren einen zuverlässigen und wirtschaftlichen Betrieb über Jahrzehnte.

Für die steuerungs- und leittechnische Ausführung zeichnete ein weiteres Unternehmen mit eidgenössischer DNA verantwortlich: die Rittmeyer GmbH Österreich. Sie hatte bereits das erste Trinkwasserkraftwerk der St. Johanner ausgerüstet – und dies zur grössten Zufriedenheit der Betreiber, wie Gerhard Thurner bestätigt.

«Für uns war es beruhigend, einen bewährten Partner an der Seite zu haben, der unsere ganze Infrastruktur kennt und der stets flexibel auf unsere spezifischen Anforderungen eingegangen ist.»

In Summe lieferte Rittmeyer für das TWKW Bauhof folgende Komponenten: die Schaltschränke, die Niederspannungsverteilung, die Blindstromkompensation, die Zuschaltung und die gesamte Steuerungs- und Sicherheitstechnik.

Nagelprobe Sicherheitstechnik

«Was bei derartigen Anlagen immer eine gewisse Herausforderung darstellt, ist die Sicherheitstechnik», erklärt der Projektleiter von Rittmeyer Ing. Mario Reh und geht ein wenig ins Detail: «Im Hinblick auf mögliche ausserplanmässige Abschaltungen muss stets der Schutz des Netzes vor Spannungsspitzen gewahrt sein. Aus diesem Grund legen wir grosses Augenmerk auf die ganze Routine der Sicherheitsabschaltung. Zum einen wurde hier ein Netzentkoppelungsschutz gemäss TOR-Richtlinien (technischen und organisatorischen Regeln für Betreiber und Benutzer von Netzen – Anm. Red.) umgesetzt. Andererseits haben wir eine 3-stufige Blindleistungskompensationsanlage installiert, die in jedem Betriebsbereich dafür sorgt, dass Blindleistung und cos-Phi im grünen Bereich bleiben.»

Alle relevanten elektrischen Grössen werden dabei über einen Netzanalysator geführt und mittels Modbus in die RIFLEX M1 geführt. Dabei handelt es sich um die vielfach bewährte Automatisierungseinheit auf Prozessebene – ein Erfolgsprodukt aus dem Hause Rittmeyer, das aufgrund seiner flexiblen Ausrichtung viel Spielraum für allfällige Anpassungen lässt. Diese stellt somit die Schaltzentrale dar, sowohl für die Steuerung der Funktionen, die Zuschaltung der Anlage, als auch die Visualisierung.


«Wir haben die Visualisierung auf einem 9-Zoll-Tochpanel im Anlagenraum realisiert. Ausserdem wurde diese auch ins übergeordnete Leittechniksystem RITOP des Wasserversorgungssystem eingebunden. Also kann man auch über dieses System auf die Anlage zugreifen», sagt Mario Reh. Als weiteres Sicherheitsinstrument hat das Team von Rittmeyer zudem ein sogenanntes Watchdog-Relais integriert. Es dient dazu, bei Ausfall oder Störung einer Komponente die komplette Anlage kontrolliert abzuschalten. Das Alarmierungssystem basiert auf dem ebenfalls vielfach bewährten System RITAS aus dem Hause Rittmeyer. Selbstverständlich werden damit Gerhard Thurner und seine Kollegen im Fall der Fälle via Mobiltelefon alarmiert und über die Form der Störung in Kenntnis gesetzt.

Stufenlose Düsenregelung

Für den Netzparallelbetrieb braucht es eine zuverlässige und zugleich funktionelle Zuschaltung: Dies wurde in Form eines ‹Sanftanlaufs› mit Spannungsrampe realisiert, die ein Hochspannen von 50 auf 100 % in 10 Sekunden sicherstellt.

Ein zentraler Aspekt des Steuerungskonzepts betrifft die Düsenregelung. Der Wasserstand im Hochbehälter Zederberg, von dem aus das Überwasser für das Trinkwasserkraftwerk Bauhof übernommen wird, wird auf ein Niveau von 4,60 m geregelt. Fällt der Wasserstand, wird die Öffnung der Düse verkleinert. Mario Reh: «Je nach Wasserstand im Hochbehälter kann die Turbinendüse stufenlos geregelt werden – von 20 bis 4 bar. Im Minimum kann die Turbine noch mit 13 l/s betrieben werden, was in etwa 10 Prozent der ursprünglichen Ausbauwassermenge entspricht. Unter dem Niveau von 4,20 m wird die Turbine abgestellt und die Bypass-Klappe geschlossen.» Dabei wird der Durchfluss zusätzlich noch durch einen MID – magnetisch-induktiven Durchflussmesser – überwacht. Die berührungslose Messung des Durchflusses dient damit als zusätzlicher Referenzwert.

Volllast nur in der Nacht

Grundsätzlich verfügt das aus den Flachauer Marbachquellen gespeiste Trinkwassersystem über eine solide, sehr konstante Schüttung. Demgegenüber stellt sich die Stromproduktion des Trinkwasserkraftwerks durchaus schwankend dar. Genau genommen folgt sie der Verbrauchskurve des Trinkwassers – allerdings gegenläufig. «An den Verbrauchskurven erkennen wir ganz klar: Wenn am Morgen oder gegen Mittag der Wasserverbrauch ansteigt, sinkt die Stromproduktion. Und umgekehrt steigt die Stromerzeugung mit dem Absinken der Wassernachfrage. Das heisst, dass die Anlage häufig in der Nacht unter Volllast läuft», erklärt Gerhard Thurner.

Die Anlage ist so konzipiert, dass sie netzparallel fahren kann, prioritär übernimmt sie allerdings die Versorgung von Bauhof-eigenen Anlagen. Thurner: «Wir haben bereits im Hinblick auf den realisierten Um- bzw. Ausbau des Bauhofs mit einer ressourcensparenden Heizmöglichkeit geplant und uns für eine Luft-Wärme-Pumpe entschieden, die heute die Gebäude des Bauhofs heizt. Den Strom dafür liefert das Trinkwasserkraftwerk.» Und nicht nur dafür wird der Strom herangezogen. Zudem dient er dazu, einen Pufferspeicher bis auf 80 Grad zu erhitzen, dessen Heisswasser für die Werkstätten am Areal benötigt wird. Weiters werden damit Strassenlaternen erleuchtet, immerhin 350 können auf diese Weise mit sauberem Ökostrom betrieben werden. Der Überschuss wird schliesslich ins öffentliche Stromnetz gespeist.

600'000 kWh in drei Jahren

Die Bilanz nach drei Jahren Betrieb kann sich in jedem Fall sehen lassen. «Wir sind absolut zufrieden mit unserem Trinkwasserkraftwerk. In Summe liefert es ohne Ausfälle im Jahr rund 200'000 kWh sauberen Strom», betont Thurner. Während die Anlage im Sommer auch einen Teil der Produktion ins Netz der Salzburg AG speist, wird im wasserärmeren Winter der Strom zur Gänze für die Zwecke des Bauhofs verwendet. Rund ein Drittel wird über das Jahr gesehen ins öffentliche Netz eingespeist.

Thurner streicht in seinem Resümee auch die Wirtschaftlichkeit derartiger Trinkwasserkraftwerke hervor, die keine eigene Wasserfassung benötigen und deren sauberes Wasser zu keinerlei Verschleisserscheinungen an den Maschinen führt. Ausserdem würden mancherorts ohnehin nur Druckvernichter durch Turbinen ersetzt, argumentiert der Wassermeister. Das Trinkwasserkraftwerk Bauhof ist eine von rund 30 derartigen Anlagen, die aktuell in den Trinkwassersystemen des Landes Salzburg installiert sind. Offiziell geht man allerdings von einem nutzbaren Potenzial von 67 Trinkwasserkraftwerken mit einem möglichen Arbeitsvermögen von insgesamt 16 GWh aus. Damit besteht noch eine interessante Ausbauperspektive. Auch in St. Johann im Pongau denkt man bereits über eine weitere Anlage nach.

Dieser Beitrag ist erschienen in zek Hydro, Ausgabe Dezember 2020.

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