transfer Ausgabe 01 | 2014

Strom aus den Zillertaler Alpen

Weitläufig vernetzt im leistungsstärksten Speicherkraftwerk Österreichs

Am Hauptkamm der Zillertaler Alpen in Österreich entspringen in Höhen von weit über 2'000 m ü.M. zahlreiche große Quellbäche, die sich im Raum Mayrhofen (A) auf einer Seehöhe von etwa 600 m vereinigen. Genutzt wird dieses Wasserangebot von der Kraftwerksgruppe Zemm-Ziller im Besitz der österreichischen Verbund AG. In einem Jahr erzeugen die Wasserkraftwerke rund 1'250 Mio kWh sauberen Strom.

Die Kraftwerke Roßhag und Mayrhofen wurden von 1965 bis 1971 errichtet und 1976 erweitert. Das Kraftwerk Häusling wurde zwischen 1974 und 1987 gebaut. Zusammen sind sie mit einer Gesamtleistung von fast einem Gigawatt die leistungsstärkste Speicherkraftwerksgruppe Österreichs.

Kompletterneuerung nach dreissig Jahren

In einem umfangreichen, über fünf Jahre und verschiedene Ausbauetappen ausgelegten Modernisierungsprojekt wurde durch Rittmeyer die Prozesssteuerung aller zwölf Hauptmaschinensätze ersetzt: Sechs Doppel-Peltonturbinen im Kraftwerk Mayrhofen, vier Francisturbinen mit Radialpumpen im Kraftwerk Roßhag und zwei in Häusling. Die Maschinenautomatik mit Anfahr- und Stillsetzsequenz, Steuerung der Hilfsbetriebe sowie mechanisch/thermischem Schutz wurden ausnahmslos auf Basis des Automatisierungs- und Fernwirksystems RIFLEX M1 aufgebaut. Ebenfalls erneuert wurden die Prozessstationen für die allgemeinen Anlagen wie Kühlwasser, Eigenbedarf und Schaltanlagen sowie die Hilfs- und Nebenanlagen.

Umfangreiche und weitläufige Vernetzung

«Zum Einsatz kommen über 50 vernetzte RIFLEX-Systeme und mehr als 30 über Lichtwellenleiter abgesetzte Unterstationen», beschreibt Stephan Fabel, Bereichsleiter Wasserkraftwerke bei der Rittmeyer AG, mit einem Satz den enormen Umfang der Installation. Die Prozessstationen sowie die lokalen Bedienfelder sind dabei über einen in Ringtopologie ausgelegten Prozessbus verbunden. Dieser ist innerhalb der Kraftwerke als LWL-Ethernet-Netzwerk mit Kommunikationsprotokoll nach IEC 60870-5-104 ausgeführt. Eingebunden in die Leittechnik ist ebenfalls die Steuerung und Überwachung der 220 kV-Freiluftschaltanlage beim Kraftwerk Mayrhofen. Die Feldleitgeräte sind über einen eigenen Prozessbus nach IEC 61850 untereinander und mit IEC 60870-5-104 sowohl mit der Kraftwerkleittechnik als auch der Zentralwarte Mayrhofen verbunden.

Neue Rittmeyer-Messtechnik

Im Zuge der Umbauarbeiten wurden ausserdem rund 1'500 Messwertgeber der Hauptmaschinensätze und Nebenanlagen erneuert. Installiert wurden unter anderem auch die wartungsfreien, schwerkraftbetätigten Drehwinkelgeber RIVERT, welche direkt auf die Kugelschieber montiert sind.

Autonomer mechanischer Schutz

Jeder Maschinenleitstand verfügt über eine eigene Funktionseinheit ‹Mechanischer Schutz›. Diese in separaten Schränken eingebauten Systeme sind vollkommen unabhängig von den Automatisierungen für die Maschinensteuerung und den Turbinenregler. Als Basis dienen auch hier die RIFLEX M1-Prozessstationen, typengleich wie sie für die Maschinensteuerungen verwendet werden.

Ausgewählte, sicherheitstechnisch relevante Prozessdaten wie Druck-, Niveau- oder Temperaturgrössen werden möglichst direkt auf diese Systeme geführt und auf ihre Plausibilität überwacht. Beim Überschreiten von betrieblich festgelegten, einstellbaren Grenzwerten werden entsprechende Alarme generiert oder der Maschinen-Stillsetzvorgang in Form eines Schnellschlusses eingeleitet.

«Für mich ist wichtig, dass die Anlagen einwandfrei funktionieren. Sollten Störungen auftreten, führt uns die Rittmeyer-Leittechnik sofort auf den richtigen Weg.»

Durchgängige Lösung garantiert sicheren Betrieb

Das übergeordnete Prozessleitsystem Rittmeyer RITOP ermöglicht die lokale Visualisierung und Bedienung der drei Kraftwerke. Neben der Vor-Ort-Bedienung an den Maschinentafeln können alle Anlagen innerhalb des RITOP-Prozessbediensystems von einem stationären Arbeitsplatz in der jeweiligen Kraftwerkswarte mit entsprechenden Berechtigungen bedient werden. Die softwaremässig durchgängige Lösung mit übersichtlichen, von Rittmeyer anlagenspezifisch gestalteten, grafischen Oberflächen garantiert die sichere und intuitive Bedienung. «Veränderungen in der Anlage werden dem Bediener jeweils sofort auf dem Bildschirm signalisiert», erläutert Stephan Fabel, und ergänzt: «Dynamische Einblendungen in Form von Symbolen, Grafiken und Texten führen ihn dabei zuverlässig durch den Prozess.»

Hierarchisches Bediensystem

Die Anlagensteuerung ist dabei in vier Bedienebenen angelegt: Vor Ort bei den Aggregaten, an der Maschinentafel, in der jeweiligen Kraftwerkswarte und mittels übergeordnetem Leitsystem von der Zentralwarte Zillertal. «Die Bedienautorität wird dabei mit zunehmender Prozessnähe höher», erklärt Stephan Fabel. Alle Betriebsdaten werden zudem erfasst und ebenso wie alle Betriebshandlungen protokolliert. Die Prozessstationen und das Prozessleitsystem sind dabei mittels GPS auf eine einheitliche Systemzeit synchronisiert. Da die Kraftwerke nicht mehr rund um die Uhr mit Betriebspersonal besetzt sind, wurden die Anlagen zudem an das übergeordnete Leitsystem der Zentralwarte im Mayrhofen redundant angekoppelt.

Sicher in die Zukunft

Die grossen Speicherseen Schlegeis sowie Zillergründl, beide auf bei­nahe 2'000 m Meereshöhe gelegen, haben einen Nutzinhalt von unglaublichen 220 Millionen Kubikmetern. Die Wasserkraftwerke Zillertal erzeugen dabei im Jahr aus natürlichem Zufluss rund 1'250 Mio. kWh Strom – zuverlässig und zukunftsfähig gesteuert von Rittmeyer-Anlagen.

Bildnachweis: Kraftwerke Zillertal