transfer Ausgabe 02 | 2019

«Man muss es versuchen»

Enge Zusammenarbeit schafft ungeahnte Verbesserungen

Die ARA Bendern des Abwasserzweckverbands der Gemeinden Liechtensteins (AZV) sammelt und reinigt die Siedlungsabwässer aller elf Gemeinden des Fürstentums. Ein Projekt, ursprünglich zur energetischen Optimierung der Biologie initiiert, verschaffte einen nicht erwarteten Nutzen: ein stabilerer Betrieb mit deutlich mehr Reserven und viel weniger Ablaufspitzen.

Drei Jahre ist es her, erinnert sich Patrik Fischli, Klärwerkmeister der ARA Bendern, dass man ein Projekt ins Leben rief, mit dem Ziel, den Energieverbrauch der Anlage zu reduzieren. Im Fokus stand die Belüftung der Biologie, dem grössten Stromverbraucher in der Abwasserreinigung. Der erste Ansatz sah vor, die Luftzufuhr zukünftig dynamisch über den Ammoniumwert im Auslauf der Biologie zu regeln.

Vorbereitung mit Umwegen

In enger Abstimmung mit dem Verfahrensplaner und dem Liechtensteinischen Amt für Umwelt als Überwachungsbehörde entwickelte man dazu gemeinsam mit Rittmeyer einen Versuchsaufbau: Die pH-Werte am Zu- und Ablauf wurden gemessen und die Differenz als Indikator für den Ammoniumabbau bewertet, anschliessend wurden Versuche zur Steuerung mit Ammoniumsonden durchgeführt. Lange Testreihen folgten, manche davon eher ernüchternd: «Wir haben vor allem mit den Messsonden ‹gekämpft›, denn wir erhielten schwankende und wenig plausible Messwerte. Aber diese sind eine unbedingte Voraussetzung für eine stabile Regelung», fasst Patrik Fischli die ersten Ergebnisse zusammen. Schliesslich entschied man sich für einen Messaufbau mit einem neu verfügbaren Analyzer, der stabile und hochgenaue Werte und somit den Durchbruch brachte. Nachteil hingegen: Das System war zu teuer, als dass man es in jeder der vier Biologien der ARA hätte separat einbauen können.

«Wir erkannten durch RITUNE ganz neue Zusammenhänge.»

Patrik Fischli, Klärwerkmeister der ARA Bendern, Abwasserzweckverband der Gemeinden Liechtensteins (AZV)

Aber dann: Ein greifbarer Prozess

So entstand die Idee, die Möglichkeiten von RITUNE® zu nutzen und damit Regelungslösungen zu konzipieren, die aus dem Verhalten des Ammoniumwerts im Ablauf der ARA und vielen weiteren verfügbaren Parametern die gesamte Anlage durchsteuert. «Aus der Trendanalyse des Ammoniumwerts beispielsweise lassen sich einige Rückschlüsse ziehen, mit der wir nun, ganz vereinfacht gesagt, das Zu- und Wegschalten weiterer Zellen der Biologie steuern», erläutert Manuela Kaufmann, Umweltingenieurin bei Rittmeyer, ein zugrundeliegendes Prinzip.

Je mehr Transparenz durch RITUNE im Verlauf der Versuche geschaffen wurde, desto mehr Prozessverständnis wurde aufgebaut. So entstanden auch immer mehr Ideen, an welchen Stellen man den Betrieb weiter optimieren und stabilisieren kann. «Gemeinsam am Tisch diskutierten wir, was noch machbar wäre. Der Prozess wurde förmlich greifbar, wir erkannten durch RITUNE ganz neue Zusammenhänge», erzählt Patrik Fischli. Bei einsetzendem Regen greift man nun bereits über eine Vorsteuerung in den Prozess ein. Über eine Gleitdruckregelung wird das Druckniveau der Sauerstoffzufuhr an den jeweiligen Luftbedarf in den Belebungsbecken angepasst. Und mit einer verbesserten Rezirkulation des Belebtschlammes wurde die Denitrifikation weiter optimiert.

Prototyping mit RITUNE

Mit RITUNE hatte man überdies ein Werkzeug an der Hand, mit welchem sich die entstandenen Ideen rasch in die Tat, sprich: in die Anlagensteuerung der ARA, umsetzen liessen. «RITUNE war für uns wie eine Person mehr im Team, die den ganzen Tag vor dem Prozessleitsystem sitzt, Werte anschaut, entscheidet, optimiert», beschreibt der Klärwerkmeister schmunzelnd die Software. Die Bereiche, in denen RITUNE eingreifen durfte, waren klar abgegrenzt und mit Bedacht gewählt, Ziele und mögliche Auswirkungen immer vorab mit dem Regulator abgestimmt. Elija Kind, verantwortlich für den Gewässerschutz im Amt für Umwelt des Fürstentums Liechtenstein, lobt die Zusammenarbeit: «Wir haben die möglichen Szenarien besprochen und ich war immer über alle geplanten Schritte im Bild.»

«Wenn man nichts versucht, dann kann man auch nichts gewinnen.»

Elija Kind, Dipl. Umwelt-Ing. ETH, MAS ETH MTEC, Abteilung Umweltschutz, Amt für Umwelt des Fürstentums Liechtenstein

Erfolgsrezept ‹Augenhöhe›

Inzwischen sind die mit RITUNE getesteten «Prototypen» der Regelung auf das Prozessleitsystem übernommen worden. Auch wenn das ursprünglich avisierte Ziel zur Stromeinsparung im Laufe der Arbeiten in den Hintergrund getreten ist, freut sich Klärwerkmeister Patrik Fischli: «Wir haben einen deutlich stabileren Betrieb unserer Anlage erreicht, konnten zusätzliche Kapazitäten schaffen und haben nie mehr so hohe Spitzenbelastungen, die durch die ARA durchschlagen.»

Fragt man Patrik Fischli nach dem Erfolgsrezept, dann ist es für ihn die Tatsache, dass sich alle Beteiligten – Behörde, Verfahrensplaner, Systemlieferant, Anlagenbetreiber und Klärwerkmeister – auf Augenhöhe begegneten und gegenseitig vertraut haben. Das unterstreicht ebenso Elija Kind: «Es ist eine gemeinsame Aufgabe, und manchmal ein Aushandeln von Kompromissen, um Verbesserungen zu erzielen. Es hat sich auch hier gezeigt: Wenn man nichts versucht, dann kann man auch nichts gewinnen.»

Bildnachweis: iStock/borchee (Titelbild), Amt für Umwelt des Fürstentums Liechtenstein (Bild 3)