transfer Ausgabe 01 | 2015

Höchste Qualität sicherstellen

Vielfältige Herausforderungen an Trinkwasserversorger

Das Trinkwasser im Alpenraum besticht durch seine hohe Qualität. Um diese zu gewährleisten muss im Fall von Kontaminationen frühzeitig reagiert werden. Online-Messsysteme bieten hier eine vielversprechende Lösung. In unserem Interview erklärt Umweltingenieurin Dipl. Ing. FH / MAS Martina Hofer, wie wichtig eine permanente Analyse von Trinkwasser ist und wie sich die Risiken einer Kontamination durch den Einsatz moderner Online-Messsysteme deutlich reduzieren lassen.

Die Umweltingenieurin Dipl. Ing. FH / MAS Martina Hofer ist Geschäftsführerin der unimon GmbH und Expertin für Messsysteme in der Wasserversorgung.

Welchen Herausforderungen müssen sich Trinkwasserversorger heute stellen?

Wasserversorger müssen die zuverlässige Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigem Trinkwasser sicherstellen. Dazu bedarf es der permanenten Überwachung der Wasserqualität. Gleichzeitig muss auch das Gefahrenpotenzial für das Trinkwasser bekannt sein, um zielgerichtet Schutzmassnahmen zu entwickeln.

Sie sprechen von einem Gefahrenpotenzial – welches sind solche Gefahren?

Siedlungsgebiete haben einen immensen Einfluss auf den Wasserkreislauf. So breiten sich Ortschaften immer weiter in Richtung Wasserschutzzonen aus. Damit steigt natürlich auch die Gefahr von Verunreinigungen. Da kann es schon passieren, dass ein Abwasserrohr mitten durch ein Schutzgebiet führt oder eine Abwasserreinigungsanlage (ARA) oberhalb einer Grundwasserfassung einleitet. Bei Störfällen kann das Grundwasser natürlich kontaminiert werden. Auch Landwirtschaft und Industrie können die Trinkwasserqualität beeinträchtigen. Intensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung erhöht beispielsweise die Gefahr, dass Gülle durch den Regen bis ins Grundwasser geschwemmt wird. Und Industriegebiete, die sich in der Nähe von Wasserschutzgebieten befinden, sind besonders heikel. Treten hier Problemstoffe aus, kann es durchaus sein, dass sie in unterirdische Trinkwasserspeicher einsickern und diese verunreinigen. Die Begradigung von Flüssen und deren Einbettung in Betonkanäle verhindert zudem die Anreicherung des Grundwassers. Auch deshalb gibt es zahlreiche Bestrebungen zur Renaturierung von Flussgebieten. Nicht zuletzt hat die zunehmende Siedlungsdichte Einfluss auf das Trinkwasser.

Wieso stellt die Siedlungsdichte ein Problem für die Wasserversorgung dar?

Immer mehr Menschen leben auf engem Raum zusammen. Das führt dazu, dass gewisse Problemstoffe in höherer Konzentration auftreten. Hinzu kommt, dass mehr und mehr gebaut und so Versickerungsflächen dauerhaft versiegelt werden. Früher wurden zudem auch noch die Vor- und Parkplätze asphaltiert und das Regenwasser in die Kanalisation abgeleitet. Zum Glück findet hier bereits ein Umdenken statt und es werden vermehrt Verbundsteine verlegt und so eine Versickerung wieder ermöglicht. Dies ist darum so essentiell, weil über die Versickerung von Regenwasser das Grundwasser wieder angereichert wird. Passiert dies nicht, so sinkt der Grundwasserspiegel in niederschlagsarmen Zeiten massiv ab. Dann muss aus einer grösseren Tiefe Grundwasser gefördert werden, um die Trinkwasserversorgung aufrecht zu erhalten. Doch auch für die adäquate Filterung des Wassers sind möglichst grosse Versickerungsflächen Voraussetzung. Nur so kann die hohe Qualität unseres Grundwassers aufrechterhalten werden.

Welchen Einfluss können hier Gemeinden überhaupt nehmen?

Gemeinden müssen die Gefahrenstellen kennen und mit den Ressourcen, die sie haben, vernünftig umgehen. Bei Bauprojekten gilt es, das Grundwasser, dessen Strömungsverläufe und unterirdische Trinkwasserreservoirs zu berücksichtigen. Hierfür werden Geologen zur Bewertung der Lage hinzugezogen und vermehrt auch Experten für die Qualitätsüberwachung. Zudem müssen natürlich die Brunnenmeister unter anderem die Qualität des Wassers durch gewissenhafte Überprüfungen sicherstellen.

Wie sieht aus heutiger Sicht die optimale Qualitätssicherung für Trinkwasser aus?

Mit einem modernen Online-Monitoringsystem können sich Brunnenmeister in den Gemeinden bestens ausrüsten. In einem solchen System werden nicht nur grundlegende, spezifisch auf das Gefahrenpotenzial ausgelegte Parameter – beispielsweise Trübung, Leitfähigkeit und die Oxidationsfähigkeiten des Wassers – mit Messsonden überwacht und die Messwerte fortlaufend aufgezeichnet, sondern diese auch mit logischen Verknüpfungen in Bezug zueinander gesetzt. Über das Leitsystem wird im Fehlerfall eine spezifische Alarmierung ausgegeben. Der Brunnenmeister kann dann gezielt die notwendigen Massnahmen setzen. Dies umfasst auch eine Probenentnahme mit labortechnischer Analyse genauer chemischer und mikrobiologischer Untersuchung.

«Werden die richtigen Messwerte miteinander in Bezug gesetzt, lässt sich eine Kontamination spezifisch erkennen.»

Braucht es dafür ein Online-Monitoringsystem?

Schon heute ziehen die Brunnenmeister regelmässig Proben und haben teilweise Messsonden installiert, die Alarm geben. Wenn man eine hohe Sicherheit und Qualität erreichen möchte, reicht dies leider nicht mehr. Natürlich gibt es regelmässige Laboranalysen. Aber Einzelwerte, die möglicherweise im Abstand von einigen Tagen oder Wochen ermittelt wurden, sind isoliert betrachtet nur wenig aussagekräftig. Mit dem Einsatz von Online-Messsystemen besteht die Möglichkeit, die Qualität des Wassers permanent zu analysieren. Der Vergleich aktueller Messwerte mit deren Historie zeigt zudem Veränderungen schon sehr früh. Werden mehrere Messwerte miteinander in Bezug gesetzt, so kann eine Kontamination auf Grund der Gefahrenquellen spezifisch erkannt und dem Brunnenmeister ein entsprechender Alarm ausgegeben werden. Zeigt sich zum Beispiel in der Trübung ein ungewohnter Anstieg und verändert sich parallel dazu die Leitfähigkeit, dann ist es Zeit zu handeln. Das Monitoringsystem hat somit den Vorteil, dass es schon Veränderungen im Anstieg eines Messsignals im niedrigen Prozentbereich erkennen kann. So können Betreiber schneller und gezielt auf Veränderungen in der Wasserqualität reagieren.

Reicht es denn nicht, einen Alarm zu setzen, wenn gewisse Grenzwerte überschritten werden?

Das mit den Grenzwerten ist so eine Sache. Wasser ist nicht gleich Wasser. Ein Trübungsgrad, der in manchen Regionen unter bestimmten Bedingungen als ganz normal angesehen wird, kann woanders schon auf ein ernsthaftes Problem hinweisen. Wird ein Online-Monitoringsystem eingerichtet, so nimmt dieses auf regionale Gegebenheiten Rücksicht und wird exakt darauf angepasst und regelmässig kalibriert. Es bringt nichts, wenn eine Messsonde permanent Alarm gibt, ohne dass ein Problem auftritt. Die ersten Male geht der Brunnenmeister diesem vielleicht noch nach. Irgendwann reagiert er aber nicht mehr, weil die Sonde bislang nur Fehlalarme verursachte. Dabei wär’s jetzt grad wirklich kritisch.

Macht es hier einen Unterschied, ob es um die Verwendung von Quell- oder Grundwasser geht?

Das Trinkwasser besteht je nach geographischer Lage aus einer Mischung aus Quell-, Grund- oder Seewasser. Während Quellen sehr rasch auf Einflüsse von aussen, sprich Kontaminationen, reagieren, dauert dies bei Grundwasser deutlich länger. Zeichnet man nur Einzelwerte auf, dann sieht man manche Verunreinigungen gar nicht oder erst sehr spät.

So gesehen, müssten doch bereits überall solche Online-Mess- und Monitoringsysteme installiert sein? Wo bedarf es noch Überzeugungsarbeit?

Ich denke, den Verantwortlichen in den Gemeinden muss klar sein, welchen Nutzen Online-Messsysteme in Kombination mit einem Online- Monitoringsystem bringt. Dort sitzt der Finanzchef und sieht den Investitionsbedarf für den Einbau des Systems. Bislang hat es aber ausgereicht und sich bewährt, dass der Brunnenmeister regelmässig Proben zieht und danach handelt. Unter diesem Blickwinkel ist ein eigentlicher Bedarf für eine Veränderung nicht erkennbar und so wird auch das notwendige Budget dafür nicht freigegeben. Fakt ist jedoch, dass sich ein gut adaptiertes Online-Monitoringsystem immer rentiert. Tritt wirklich eine Kontamination auf, die ins Wasserversorgungsnetz eindringt, müssen die betroffenen Bereiche abgestellt und gespült werden. Hinzu kommt noch, dass Wasser, beispielsweise aus Nachbargemeinden für die Versorgung der Bevölkerung hinzugekauft werden muss. Die Kosten, welche hier in Summe anfallen, erreichen sicher leicht das zehn- oder gar 20-fache eines Monitoringsystems. So etwas lässt sich verhindern.

Zusammenfassend: Wie sehen Sie die weitere Entwicklung für Trinkwasserversorger?

Aus heutiger Sicht ist davon auszugehen, dass das Gefahrenpotenzial weiter steigt. Die Vielfalt und Konzentration von Problemstoffen nimmt stetig zu. Auch werden die Pufferzonen zwischen Siedlungen und Wasserschutzgebieten immer kleiner. So erreichen Verunreinigungen viel rascher Trinkwasserreservoirs und gefährden die Gesundheit von uns allen. Die Auswirkungen, falls solche Gefahren nicht rasch erkannt werden, können fatal sein und sind mit immensen Folgekosten für Wasserversorger behaftet. Ich bin davon überzeugt: Mit modernen Online-Messsystemen und einer entsprechenden Messwertverarbeitung, sprich einem Online-Monitoring, lassen sich diese Risiken deutlich reduzieren.

Vielen Dank für das Gespräch.