Grüner Wasserstoff für den Schwerverkehr
Erfolgversprechende Kopplung der Sektoren Energie und Mobilität
Hyundai Hydrogen Mobility und Hydrospider bauen mit Tankstellenbetreibern sowie Logistik- und Handelspartnern ein in Europa einzigartiges industrielles Wasserstoff-Ökosystem auf. Die grösste Elektrolyseanlage der Schweiz zur Produktion von «grünem Wasserstoff» ist beim Alpiq Wasserkraftwerk Gösgen in Betrieb.
Seit einigen Wochen wird in Gösgen «grüner» Wasserstoff produziert. So viel, damit etwa 40 bis 50 Lastwagen ihre Waren tagtäglich emissionsfrei von A nach B transportieren können. 400 Normkubikmeter des Gases in hochreiner Form stellt die 2-MW-Elektrolyseanlage pro Stunde her, bis zu 300 Tonnen pro Jahr. Die dazu notwendige elektrische Energie wird ausschliesslich mit der Kraft der Aare produziert: «Damit ist die gesamte Kette komplett CO2-frei, denn bei der Umwandlung des Wasserstoffs in den Brennstoffzellen der LKW entsteht einfach wieder nur Wasser», freut sich Thomas Fürst, Geschäftsführer der Hydrospider AG.
«Die gesamte Kette von Produktion bis Verbrauch ist komplett CO2-frei.»
Thomas Fürst, Geschäftsführer der Hydrospider AG
Direkt beim Stromgenerator
Ideal ist es, wenn die Power-to-Gas-Anlage (P2G) am Ort der Stromproduktion installiert ist. In Gösgen nutzt diese einen 10-kV-Abgang direkt am Generator einer der fünf 10-MW-Maschinen des Flusskraftwerks. Die 10'000 V werden auf 400 V transformiert und anschliessend gleichgerichtet. Acht Elektrolyse-Stacks, jeder nimmt rund 600 A davon ab, zerlegen das zugeführte Wasser in seine beiden Elemente Wasserstoff und Sauerstoff. In Gösgen setzt man hierfür auf die Protonen-Austausch-Membran-Technologie (PEM). Dieses Verfahren ist zwar sehr aufwändig, garantiert aber eine hohe Reinheit des Wasserstoffes von 99,9998% bei einem Ausgangsdruck von 30 bar.
Zwischenspeicherung in Wechselcontainern
In einem nachgeschalteten Kompressor wird das Gas auf einen Druck von 350 bar verdichtet und in Wechselcontainern zwischengespeichert: «In diesen Wechselcontainern wird das Gas an die Tankstellen geliefert», erklärt Thomas Fürst. Sie nehmen rund 350 kg Wasserstoff auf. Das ist ausreichend für ca. zehn LKW-Füllungen. Rund 370 l deionisiertes Wasser werden unter Volllast der Anlage pro Stunde in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Für die Füllung eines Wechselcontainers werden demnach etwa 3'500 l Wasser «verbraucht», denn rund 8 bis 10 Stunden dauert es, bis einer der Container von der 2 Megawatt-Anlage gefüllt ist.
Unglaubliche Energiedichte
Wasserstoff ist der Energieträger mit der höchsten gewichtsbezogenen Energiedichte: Er speichert 120 MJ/kg, drei Mal mehr als Benzin, rund 150 Mal mehr als eine Lithium-Ionen-Batterie. Rund 1'200 kWh fasst demnach ein LKW-Tank, was für eine Reichweite von 300 bis 400 km sorgen soll.
Auf der Anlage zeigt sich dazu ein eindrückliches Bild: Durch ein Edelstahlröhrchen mit einem Durchmesser von gerade einmal 12 mm strömt sozusagen die gesamte Anlagenleistung in Form des Wasserstoffs in die Speicher. Die von der Anlage aufgenommene elektrische Leistung muss hingegen über einen Kabelquerschnitt von in Summe 1'600 mm2 Kupfer zugeführt werden.
Zukunftsmusik
Ziel soll es sein, wo immer möglich in unmittelbarer Nähe der Tankstelle den Wasserstoff zu produzieren. Damit würde man sich den Transport dorthin ersparen, der heute noch mittels LKW erfolgen muss. Weitere Projekte sollen dies berücksichtigen.
Ein Vorteil hierbei ist, dass die gesamte Installation in Gösgen skalierbar ist, denn die notwendige Technik ist modular in kompakten Containern aufgebaut: «Diese Überlegungen haben wir von Beginn an in unsere Planungen miteinbezogen, selbst wenn uns in Gösgen die räumlichen Möglichkeiten zur Expansion fehlen sollten», erklärt Thomas Fürst. Der Bau einer Tankstelle in Gösgen ist vorderhand nicht geplant.
Die Wasserstoffproduktion wird auch als Flexibilität im Übertragungsnetz betrachtet, denn sie kann in Sekunden auf einen elektrischen Leistungsbezug von wenigen 10 Kilowatt heruntergefahren werden. Damit könnten die Anlagen zukünftig als netzdienliche Sekundärregelleistung eingesetzt werden.
Technologie hat Potenzial
Wasserstoff böte im Grunde auch die Möglichkeit, überschüssigen Strom «zwischenzuspeichern». Noch aber ist die sogenannte ‹Roundtrip Efficiency› relativ gering, also der Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff und zurück in Strom. 40 Prozent sind derzeit erreichbar, 50 Prozent könnten es in Zukunft sein, sind sich Fachleute sicher. «Aber selbst ein geringer Wirkungsgrad ist immer noch besser, als künftig Photovoltaik- oder Windenergie-Anlagen vom Netz zu nehmen, nur weil gerade ein Strom-Überangebot besteht, welches nicht abgenommen wird», meint Thomas Fürst. Dann sei der Strom verloren, der Wirkungsgrad demnach null.
«Grüner Wasserstoff hilft uns bei der sinnvollen und effektiven Sektorkopplung.»
Bis zum Jahr 2025 will Hyundai in der Schweiz 1'600 wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen-Elektro-Lastkraftwagen in Verkehr bringen. Das würde zudem rund 40 bis 50 weitere Anlagen in der Dimension von Gösgen erfordern. Das Interesse ist jedenfalls gross: Vor allem im regionalen Lieferverkehr, wo Reichweite und Nutzlast wichtig sind, spielt die Brennstoffzelle alle ihre Vorzüge aus.
Sektoren gekoppelt
«Grüner Wasserstoff ist der Schlüssel für eine sinnvolle und effektive Transformation von fossilen Brennstoffen hin zur emissionsfreien Brennstoffzellen-Elektromobilität.» Dessen ist sich Thomas Fürst sicher. In der Wissenschaft bestehe längst Konsens darüber, dass der CO2-Ausstoss reduziert werden muss. Nur Politiker meinten oft immer noch, der Klimawandel sei eine Glaubensfrage.
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Power-to-Gas (P2G)
Zur langfristigen Speicherung elektrischer Energie ist die Power-to-Gas-Technologie vielversprechend: Sie nutzt potenziell überschüssigen Strom aus Sonnen- und Windenergie, um mittels Elektrolyse aus Wasser Wasserstoff zu gewinnen. Der Wasserstoff kann gespeichert werden und später in einer Brennstoffzelle wieder in Strom umgewandelt zu werden, um beispielsweise einen Fahrzeugmotor anzutreiben oder zur Erzeugung von Wärme genutzt werden. Er lässt sich auch ins Erdgas-Netz einspeisen, das bereits über eine flächendeckende Infrastruktur zur Verteilung und Speicherung verfügt. Wird wie in Gösgen der zur Elektrolyse benötigte Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen, so ist die gesamte energetische Kette CO2-frei. Und: Der «Kraftstoff» ist absolut umweltfreundlich, denn sowohl das Ausgangs- wie auch das Endprodukt ist Wasser.
Partnerschaft für die emissionsfreie Mobilität
Hyundai Hydrogen Mobility ist ein Joint Venture zwischen der koreanischen Hyundai Motor Company und der Schweizer H2 Energy. Hydrospider ist ein Joint Venture der beiden Schweizer Unternehmen Alpiq und H2 Energy sowie der deutschen Linde. Gemeinsam mit dem Förderverein H2 Mobilität Schweiz entwickeln die Partner ein Geschäftsmodell für die emissionsfreie Mobilität von Nutzfahrzeugen. Dieses umfasst die gesamte Wertschöpfungskette: Brennstoffzellen-LKW von Hyundai, die Produktion von grünem Wasserstoff durch Hydrospider, die Planung zum Aufbau der notwendigen Betankungsinfrastruktur durch die Mitglieder des Fördervereins sowie die Logistik- und Transportunternehmen, welche künftig Brennstoffzellen-LKW einsetzen.