AQUA & GAS No 9 | 2024

Frühzeitige Erkennung von Verunreinigungen

Quellenwasser-Monitoring: Kontrolle und Weiterentwicklung durch Digitalisierung

Extremwetter wie trockene Sommer und heftige Niederschläge beeinflussen unsere Quellwasserressourcen – aber wie genau? Die Digitalisierung schwer zugänglicher Quellen war bisher eine Herausforderung, doch moderne IoT-Technologien und Datenanalysen bieten neue Möglichkeiten. Für die Zukunft der Wasserwirtschaft sind zuverlässige, kontinuierlich erhobene Daten und eine sichere Wasserversorgung unerlässlich. Die Digitalisierung kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

Bedeutung von Quellwasser in der Wasserwirtschaft

Quellwasser, also Grundwasser, das auf natürliche Weise an der Geländeoberfläche austritt, ist ein wichtiges Element des Wasserkreislaufs und der gesamten Wasserwirtschaft. Als Orte des Übergangs spiegeln Quellen einerseits den Zustand des Grundwassers in den Aquiferen, die sie speisen, direkt wider und haben andererseits direkten Einfluss auf Bäche und andere Oberflächengewässer, in die sie münden, einschliesslich aller davon abhängigen Ökosysteme [1]. 

In der Schweiz ist Quellwasser mit einem durchschnittlichen Anteil von 40% auch ein wichtiger Trinkwasserlieferant. Vor allem im Voralpen- und Alpengebiet sowie im Jura spielt Quellwasser eine wichtige Rolle. In Figur 1 sind die Anteile des Quellwassers an der gesamten Trinkwasserproduktion in ausgewählten Ländern dargestellt. Daraus lässt sich erkennen, dass bei unserem östlichen Nachbarn Österreich und ebenso in Luxemburg Quellwasser ein wichtiger Bestandteil der Trinkwasserversorgung ist, während es in Deutschland über alles gesehen eher einen kleinen Teil ausmacht [2]. 

Weltweit sehen sich viele Regionen mit Herausforderungen wie Wasserknappheit, dem Einfluss des Klimawandels und Verunreinigungen konfrontiert. Diese Herausforderungen sind auch bei uns im Wasserschloss Schweiz zunehmend ein Thema. Bereits heute ist die Schweiz nicht von solchen Problemen verschont und in trockenen Sommern wird beispielsweise regional mit Wassermangel gekämpft. Gleichzeitig gewinnt auch die Thematik der Trinkwasserqualität an Wichtigkeit, wobei die Schweizer Wasserversorger bevorzugt, qualitativ hochwertiges Rohwasser verwenden, das gar nicht oder nur geringfügig aufbereitet werden muss.

Aus diesem Grund wäre es wichtig, die (Trink-)Wasserqualität möglichst am Ursprung, also an der Quelle zu überwachen. In abgelegenen Gebieten werden heute die Wasserqualität wie auch die Schüttungsmenge meist jedoch erst dann gemessen, wenn das Wasser im Reservoir ankommt (Fig. 2). Dabei fliessen oft mehrere Quellzuflüsse zusammen und werden somit gesamthaft qualitativ beurteilt. Stimmt die Qualität nicht, wird alles Wasser verworfen, unabhängig davon, ob einer oder mehrere Quellzuflüsse weiterhin problemlos nutzbar wären. Im Falle einer Kontamination ist es bei einer solchermassen gestalteten Überwachung schwierig, den Ursprung des Problems zu lokalisieren.

Weil in vielen Fällen Daten zu den einzelnen Quellen fehlen, konnten bisher wichtige Fragen nicht oder nur schwer beantwortet werden:

  • Wie verhalten sich Wasserqualität und Quellschüttung einzelner Quellzuflüsse saisonal und wie entwickeln sie sich langfristig?
  • Wie reagieren die einzelnen Quellzuflüsse auf externe Faktoren (z.B. Niederschlag, Lufttemperatur, Umweltereignisse, etc.)?

Quellen mit Messtechnik auszurüsten war bisher aufgrund ihres in der Regel abgelegenen Standortes, ohne Strom und Datenanschluss, entweder gar nicht möglich oder sehr kostenintensiv. Die weltweit stetige technologische Weiterentwicklung ermöglicht es jedoch heute, auch Quellen mit moderner Technik nachzurüsten. Autarke Datenlogger - versorgt mit Strom aus Batterie, Akku, Solarmodulen oder sogar Mikroturbinen – in Kombination mit energieoptimierten Sensoren können heute genutzt werden, um Quellen einfach aus der Ferne zu überwachen und Informationen zu sammeln, die für die Beantwortung der obigen Fragen notwendig sind. Figur 3 fasst zusammen, welche Möglichkeiten eine mit digitaler Technik ausgestattete Quellfassung bieten kann. 

Digitalisierte Quellüberwachung

Traditionelle manuelle Messungen der Quellschüttung, bei denen eine Stoppuhr und ein Eimer verwendet werden, bieten nur begrenzte Genauigkeit. Zudem werden häufig nur wenige Parameter wie die Temperatur gemessen, während andere wichtige physikalische und chemische Eigenschaften des Quellwassers, die auf mögliche Verunreinigungen hinweisen könnten, unberücksichtigt bleiben. In abgelegenen Gebieten ist insbesondere während der Wintermonate der Zugang oft eingeschränkt oder unmöglich, was zu unvollständigen Datensätzen führt und die manuelle Messung zusätzlich erschwert. Kurzzeitige Ereignisse bleiben so meistens unerkannt. 

Eine automatische, elektronische Überwachung der Quelle mit Datenlogger und Sensoren hingegen erlaubt den Aufbau einer umfassenden Datenbasis.  Nebst der Schüttungsmenge jedes Quellzuflusses kann auch deren Wasserqualität überwacht werden. Mögliche Qualitätsmessparameter sind beispielsweise Trübung, Temperatur, elektrische Leitfähigkeit, pH-Wert, Redox, gelöster Sauerstoff und die Absorption von UV-Licht bei 254 nm (spektrale Absorptionskoeffizient SAK254). Eine solche Datenbasis ermöglicht es dem Wasserversorger, Trends zu erkennen und rechtzeitig auf Veränderungen zu reagieren [3]. 

Zudem besteht über den installierten Datenlogger so auch die Möglichkeit, frühzeitig auf potenzielle Verunreinigungen zu reagieren. Durch die Ansteuerung einer autarken Verwurfsklappe kann verunreinigtes Trinkwasser bereits in der Brunnenstube verworfen werden – und dies für jeden Quellzufluss separat. So kann eine effiziente Nutzung des Quellwassers sichergestellt werden. 

Wie reagieren die Quellzuflüsse auf externe Einflüsse?

Jede Quelle ist durch seine geografische und geologische Lage einzigartig. Entsprechend zeigt sich ein unterschiedliches Fliessverhalten. Überdies ist die Reaktion jeder Quelle auf externe Einflüsse, wie z. B. Niederschlag, Lufttemperatur oder andere Umweltereignisse, verschieden [4]. Klar, ein erfahrener Brunnenmeister kennt seine Quellen und hat ein Gespür dafür. Dennoch kann es sein, dass kurzzeitige Ereignisse, die allenfalls nur für wenige Stunden oder Tage auftreten, oftmals ohne eine kontinuierliche Datenerfassung nicht erkannt werden. 

Eine kontinuierliche Überwachung der Wetter- und Quellwasserdaten kann helfen, solche kurzzeitigen Ereignisse und potenzielle Risiken und deren Entwicklungstrends frühzeitig zu erkennen [5]. Indem beispielsweise Quellwasserdaten mit Meteodaten kombiniert werden (Fig. 5), können Informationen gewonnen werden, wie Qualität und Quantität einer Quelle von Wetterereignissen abhängen. Setzt man Niederschlagsdaten in Verbindung mit Quellschüttungsmessungen lässt sich nachvollziehen, wie schnell und in welchem Umfang eine Quelle auf Regenereignisse reagiert. Dies hilft, das Rückhaltevermögen des Bodens und die Wasserspeicherfähigkeit des Einzugsgebiets besser zu verstehen.

Visualisierung als entscheidender Faktor

Die Installation von Sensorik und Datenlogger ist das eine. Eine wichtige Rolle spielt jedoch auch die Visualisierung der gewonnen Daten. Dies ist direkt im Leitsystem oder auf einem cloudbasierten Dashboard möglich (siehe Fig. 4). 

Einerseits besteht so die Möglichkeit, die einzelnen Messwerte als Quasi-Rohwerte darzustellen, und andererseits durch die geschickte Kombination von unterschiedlichen Datenquellen, gezielt brauchbare Informationen zu generieren und diese zu visualisieren [6]. Beispiele für darzustellende Informationen sind:

  • Veränderungen der Quellschüttung aufgrund des saisonalen Witterungsverlaufs
  • Vergleich und Evaluation des Quellschüttungstrends über Jahre hinweg
  • Einfluss von Schüttungsschwankungen auf die Wasserqualität
  • Einfluss der Niederschlagsmenge auf die Quellschüttung und die Wasserqualität
  • Vergleich unterschiedlicher Quellen und deren Zuflüsse

In Figur 5 ist ein einfaches Standard-dashboard für die Visualisierung von Quellwassermonitoring-Daten dargestellt. 

Modelle und Prognosen

Die durch die Digitalisierung einer Quelle systematisch gewonnenen Daten erlauben die Erstellung von Zeitreihen und darauf basierend in die Zukunft gerichtete Modelle und Prognosen. Damit kann ein wesentlicher Beitrag geleistet werden zum Aufbau von Frühwarnsystemen. Zudem bilden die Auswertungen von Zeitreihen und die Modellierung wichtige Entscheidungsgrundlagen für die strategische Ausrichtung einer Wasserversorgung. Zwei Beispiele hierfür sind:

  • HACCP (Hazard Analysis Critical Control Points; zu Deutsch: Gefahrenanalyse, kritische Lenkungspunkte):  Einen Mehrwert bietet die Integration der Quellüberwachung in ein HACCP-System gemäss SVGW-Richtlinie W12 «Leitlinie für eine gute Verfahrenspraxis in Trinkwasserversorgungen». Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Wasserqualität kontinuierlich überwacht und das System bei Fehlfunktionen in einen sicheren Zustand versetzt wird [7]. Dies wird in der Regel im Leitsystem gemacht. Im Fall des Quellmonitorings kann beispielsweise eine Kontamination simuliert und die autarke Verwurfsklappe getestet werden. Die Selbstkontrolle und Dokumentation wird so dem Versorger erleichtert und die Betriebsabläufe effizienter gestaltet.
  • Kontaminationsüberwachung: Besonders nach starken Niederschlägen, wenn Oberflächenwasser in das Quellgebiet eindringt, ist das Risiko für Kontaminationen erhöht. Neben extremen Wetterereignissen stellen auch landwirtschaftliche (insbesondere die Ausbringung von Gülle und Düngemitteln) und industrielle Einflüsse eine Gefährdung dar. Eine permanente und laufende Überwachung von Qualitäts-, Schüttungs- und Wetterdaten, verarbeitet in spezifischen Algorithmen, sowie Informationen zu potenzielle Verschmutzungsquellen ermöglichen eine Früherkennung von allfälligen Kontaminationen im Quellwasser. 

Fallbeispiel: Messung der Schüttung einer abgelegenen Quelle

Das Ziel dieses Projekts war es, die Eignung einer abgelegenen Quelle im Prättigau, die vor allem im Winter wegen des vielen Schnees nur schwer erreichbar ist, hinsichtlich der Energiegewinnung mittels eines Trinkwasserkraftwerks zu bewerten. Hierfür musste die Quellschüttung über ein Jahr hinweg kontinuierlich gemessen und analysiert werden. Für die Messung und Überwachung der Quellschüttung wurde eine autarke Quellwassermonitoring-Lösung eingesetzt (Fig. 6). Der dafür verwendete Datenlogger wurde mit einem internen Akku betrieben. Das System war mit Sensoren ausgestattet, die kontinuierlich die Quellschüttung und die Temperatur des Quellwassers erfassten. Die über Mobilfunk an eine zentrale Datenbank übertragenen Daten wurden gespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt analysiert. 

Fazit

Quellen spielen eine bedeutende Rolle in der Wasserwirtschaft. Es sind nicht nur einzigartige Ökosysteme, sondern sie versorgen auch Millionen von Menschen mit Trinkwasser. Deshalb ist es wichtig, Quellen zu schützen und für die zukünftigen Herausforderungen fit zu machen. 

In einem ersten Schritt bietet sich an, Quellen zu digitalisieren. Die meist schwer erreichbaren und nicht ans Strom- oder Datennetz angeschlossenen Brunnenstuben können heute mit modernen Technologien – mit autarken Sensoren und Datenloggern – einfach nachgerüstet werden. So werden Messdaten lückenlos gespeichert und dem Wasserversorger zur Verfügung gestellt. Dies unterstützt den Versorger, seine Wasserversorgung noch besser zu verstehen, und den aktuellen Zustand sowie die langfristige Entwicklung zu überwachen.

In einem zweiten Schritt können durch Kombination der Quelldaten mit beispielsweise Wetterdaten und Anwendung von Algorithmen gewinnbringende Vorhersagen und Modelle erstellt werden. Damit sind Wasserversorger für künftige Herausforderungen besser gewappnet und können insbesondere frühzeitig reagieren. 

Bibliografie

[1] Kresic N.; Stevanovic Z. (2010): Groundwater hydrology of springs – Engineering, theory, management and Sustainability 

[2] Treskatis, C.; Tauchmann H. (2018): Quellfassungsanlagen zur Trinkwasserversorgung– Technische und naturwissenschaftliche Grundlagen für den Bau und Betrieb von Quellfassungen für die Wasserversorgung, DIV Deutscher Industrieverlage GmbH

[3] ÖWAV-Regelblatt 205 (2017): Nutzung und Schutz von Quellen in nicht verkarsteten Bereichen. – 92 S.; Wien.

[4] Auckenthaler, A.; von Gunten, U. (2016): Gesamtsynthese - Projekt Regionale Wasserversorgung Basel-Landschaft 21

[5] Schmidt B. J.; et al. (2017): Quellmonitoring zur optimierten Quellwassernutzung

[6] SVGW – Empfehlungen W1014 (2018) Empfehlung für die Datenerfassung und -auswertung bei Wasserversorgungen

[7] SVGW – Richtlinie W12 (2023) Leitlinie für eine gute Verfahrenpraxis in Trinkwasserversorgungen; Zürich 

 

  

Nikolina Schmidli
nikolina.schmidli@rittmeyer.com
+41 41 767 13 91