transfer Ausgabe 01 | 2019

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt

Vom Eisenbahntunnel zum Wasserreservoir

«Aus dem nie fertiggestellten Eisenbahntunnel rinnt doch ständig ordentlich Wasser. Können wir diesen nicht als Wasserreservoir nutzen?» Mit diesen Worten begründete Spenglermeister Josef Wapf-Marti den Bau der Wasserversorgung in Altbüron, deren Herzstück der Tunnel heute ist.

Ende der 1940er Jahre herrschte in der Region um Altbüron eine grosse Trockenheit, weshalb zahlreiche Brunnen versiegten. Um der Bevölkerung in Zukunft zuverlässig Wasser zur Verfügung stellen zu können, wurde der Ruf nach einer zentralen Wasserversorgung laut. Unklar war damals jedoch, woher das dringend benötigte Wasser kommen ­sollte – bis Josef Wapf-Marti mit dem Eisenbahntunnel den entscheidenden ­Hinweis gab.

Konkurrenz beflügelte den Eisenbahnbau

In den 1870er Jahren wurde in der Schweiz – angestossen durch politische Veränderungen – intensiv am Ausbau des Eisenbahnnetzes gearbeitet. Der Kampf zwischen den verschiedenen regionalen Bahnstreckenbetreibern war gross. Durch schnellere und direktere Bahnverbindungen wollten sie sich gegenüber ihren Konkurrenten einen Vorteil verschaffen. Immerhin schrieb das damalige Eisenbahngesetz vor, dass Güter immer auf der kürzesten ­Strecke geführt werden müssen. «Die Schweizerische Centralbahn (SCB) wollte aus diesem Grund ihre zwei bestehenden Strecken von Olten nach Bern und von Olten nach Luzern zwischen Langenthal und Wauwil verbinden und die Fahrzeit so deutlich verkürzen. Bei Altbüron sollte diese Verbindung durch einen Tunnel geführt werden», so Josef Rölli, Präsident der Personalkorporation Altbüron.

Überraschender Baustopp

Am 23. September 1873 erhielt die SCB die Konzession für die geplante Bahnstrecke. Im November 1874 begannen die Ausbrucharbeiten für den Staltenbergtunnel in Altbüron und Ebersecken. Mit dem Aushubmaterial wurden jene Eisenbahndämme, die noch heute das Ortsbild prägen, aufgeschüttet. «Bis zu 800 Arbeiter – hauptsächlich Italiener – waren Tag und Nacht und teilweise sogar am Sonntag mit den Bauarbeiten beschäftigt, als diese am 26. Oktober 1875 überraschend eingestellt wurden», erzählt Josef Rölli. Die Wirtschaftskrise führte zu Ertragsverlusten und Geldmangel. Zudem hatte sich die Konkurrenz der SCB aus der Region zurückgezogen.

Vom Tunnel zum Wasserreservoir

In den folgenden Jahren gab es immer wieder Bestrebungen, das Teilstück von Langenthal nach Wauwil als eigenständige Bahn­linie zu führen. Die ­verschiedenen Vorschläge wurden jedoch nie realisiert. So blieben von der geplanten Bahnstrecke neben Dämmen und Erdaufschüttungen ein nie fertig gestellter Tunnel übrig. «Nach dem Vorschlag von Josef Wapf-Marti kaufte die Gemeinde Altbüron den Tunnel um 1950 von der SBB, die mittlerweile Besitzerin des Tunnels war, für 3'000 Franken ab. Die Personalkorporation Altbüron übernahm dann den Bau und Betrieb der Wasserversorgung», führt Josef Rölli aus. «Am Tunnel selbst musste nur eine Mauer gebaut werden, um das Wasser zu stauen. Die ersten 247 Meter des Tunnels wurden schon bei den ursprünglichen Bauarbeiten ausgemauert, der Tunnel reicht aber noch weitere 200 bis 300 Meter in den Felsen.»

Gesicherte Wasserversorgung

Heute ist der Eisenbahntunnel ein einzigartiges Wasserreservoir, das rund 5'000 ­Kubikmeter bestes Trinkwasser speichert. Über die Jahre wurde in Altbüron schliesslich eine Zwei-Zonen-Wasserversorgung aufgebaut. Herzstück ist der Tunnel, der über ein Stufenpumpwerk das Reservoir Horn erschliesst. Dieses umfasst jeweils 200 Kubikmeter Löschreserve und Brauchwasser. Über ein weiteres Stufenpumpwerk ist das Reservoir Bellevue angeschlossen, das die höhergelegenen Häuser in Altbüron mit Wasser versorgt.

«Noch immer ist unbekannt, woher das Wasser im Tunnel eigentlich kommt.»

«Es wird jedoch – das lassen die ausgezeichnete Wasserqualität und die hohe Wasserhärte vermuten – vom Gletscher gespeist», erzählt Josef Rölli. «Beim Staltenstrassenbau in den 1990er Jahren wurde zwar eine Quelle gefunden, die den Tunnel jedoch eindeutig nicht speist.» Deren Wasser wird seit dem Jahr 2000 in einer dem Tunnel vorgelagerten Kammer gesammelt und unabhängig vom Tunnel den beiden Reservoiren zugeführt. «Um auf Nummer sicher zu gehen, haben wir uns 1999, als wir die Infrastruktur modernisierten, mit der Nachbargemeinde Grossdietwil zusätzlich in einem Wasserverbund zusammengeschlossen», beschreibt Josef Rölli. «So können wir heute von drei verschiedenen Bezugsorten Wasser ins Netz speisen und die grösstmögliche Versorgungssicherheit für unsere Einwohner gewährleisten.»

Bildnachweis: Wasserversorgung Altbüron

Im Rahmen einer Führung lassen sich Altbüron und seine Wasserversorgung hautnah entdecken. Interessierte wenden sich an Josef Rölli +41 62 927 14 15 oder +41 79 371 64 31.