transfer Ausgabe 01 | 2020

Einzigartiges Angebot

Gebündelte Kompetenzen für die Fernwärme

Im April gründete die Rittmeyer AG gemeinsam mit der österreichischen aqotec GmbH ein Joint Venture: Die ‹Rittmeyer aqotec AG› liefert Komplettlösungen für die Fern- und Nahwärmetechnik. Im Gemeinschaftsunternehmen konzentriert Rittmeyer sein Fernwärmegeschäft und deckt damit nun alle Bedürfnisse eines modernen Querverbundunternehmens ab – Strom, Wasser, Gas, Abwasser und Wärme aus einer Hand. Ein Gespräch mit Andreas Borer, CEO der Rittmeyer AG, und Christian Holzinger, geschäftsführender Gesellschafter der aqotec GmbH, über den Markt und das Potenzial des Zusammenschlusses für Betreiber.

Mit der Weiterentwicklung der Energiestrategie 2050 des Bundes hat man erkannt, dass die thermische Energie mindestens einen vergleichbaren Anteil wie Strom an der Energiebilanz hat. Wo liegen die grossen Chancen?

Christian Holzinger: Die beiden energetischen Ressourcen Strom und Wärme lassen sich gut kombinieren. Stichwort: Sektorkopplung. Dazu muss man jedoch die Versorgung als Ganzes betrachten: Welche Energieform gibt es gerade im Überschuss, welche kann man einspeisen, welche kann man bei Überkapazität zurückbehalten?

Andreas Borer: Wenn man nun als Querverbundunternehmen über den Zaun der einzelnen Branche schaut, dann entstehen dabei ganz neue Möglichkeiten der energetischen Gesamtoptimierung. Überall wo man Strom produziert, fällt auch in gewissem Umfang Abwärme an. Ebenso in industriellen Prozessen. Und auf der ARA, beispielsweise. Und diese Ressource gilt es effizient zu nutzen. Hinzu kommt, dass man Wärme auch speichern kann. Besser als Strom. Den in Wärme speicherbaren Energieinhalt kann man fast vergleichen mit den Speicherseen bei Wasserkraftwerken.

«Wenn man als Quer­verbund­unternehmen über den Zaun der einzelnen Branche schaut, ent­stehen ganz neue Möglich­keiten der energetischen Gesamt­optimierung.»

 

Andreas Borer, CEO, Rittmeyer AG

Welches sind die grossen Herausforderungen für die Betreiber von Fernwärmenetzen?

Christian Holzinger: Für die Betreiber gilt es, zukünftig noch wirtschaftlichere Anlagen zu errichten. Noch wichtiger ist aber, dass die Positionierung als reiner Wärmelieferant nicht mehr ausreichend sein wird, um im Markt zu bestehen. Die Netzbetreiber müssen einen Mehrwert anbieten können. Ein Beispiel: Viele Stadtwerke liefern heute noch klassisch Wärme bis zum Hauseingang. Was dahinter geschieht, erscheint für sie kaum relevant, ist Angelegenheit des Kunden. Um aber einen wirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen, ist es notwendig, die Anlage gesamthaft zu optimieren. Letztlich hängt alles von den Rücklauftemperaturen ab. Und die entstehen eben beim letzten Verbraucher, sprich: dem Heizkörper im Gebäude. Dazu muss man das System aber auch in die Gebäude hinein entwickeln. Und man muss den Immobilienbesitzer an die Hand nehmen, und ihm helfen, sein Gebäude unter einem gesamtheitlichen Ansatz zu optimieren. Nur wenn man weiss, was erzeugt wird und ebenso, wann was und wo benötigt wird, kann man die gesamte Kette verbessern.

Andreas Borer: Damit dies gelingen kann, braucht es allerdings eine grosse Menge an Informationen: Informationen vom Gebäude, zum individuellen Energieverbrauch, von der Erzeugung. Dabei entsteht eine Unmenge an Daten. Diese zu beherrschen ist anspruchsvoll. Und noch mehr, für deren Sicherheit zu garantieren. Letztlich wird der Wärmelieferant zum Wärmeverteiler – bis zum letzten Eigentümer und Mieter. Im Grunde kann man die Entwicklung im Fernwärmemarkt mit der des Strommarkts in den vergangenen Jahren vergleichen. Auch dort stellt der Endkunde neue Anforderungen, beispielsweise an attraktive Tarifierungsmodelle. Eine Wohnung oder ein Haus gesamtenergetisch zu optimieren, heisst deshalb nicht einfach den Wärmeverbrauch zu reduzieren. Das betrifft verschiedene Leistungen, welche ein Verbundunternehmen bereitstellt – oder zukünftig bereitstellen könnte.

«Die Positionierung als reiner Wärme­lieferant wird nicht mehr ausreichend sein, um im Markt zu bestehen.»

Christian Holzinger, geschäftsführender Gesellschafter, aqotec GmbH

Was wird dazu benötigt?

Christian Holzinger: Damit all dies möglichst optimal gelingt, benötigt man sehr viele, sehr hoch aufgelöste Daten. Wir haben die Werkzeuge, um diese Daten zu sammeln. Mit diesen Daten muss man sorgfältig umgehen, muss sie auf sicheren Servern speichern und bewirtschaften. Dazu braucht es entsprechende Kompetenz. Diese bringt Rittmeyer ein. Gerade für einen Energieversorger ist eine solche Vertrauensbasis entscheidend.

Andreas Borer: Das Sammeln der Daten ist das eine, deren Auswertung das andere. Wichtig ist die Auflösung der Daten, denn der Output, die Aussagekraft der Daten, kann nur so gut sein wie der Input. Mit unserer Optimierungssoftware RITUNE® verfügen wir über ein Werkzeug, das flexibel ist, in der Grösse skalierbar und das lokal installiert oder in der Cloud verfügbar gemacht wird. Dessen Stärke ist nicht nur das Sammeln und Verarbeiten von Daten, sondern vor allem, diese auch in einer verständlichen Art darzustellen. Sodass man auch leicht erkennen kann, wie es um eine Anlage steht, oder wo welches Potenzial vorhanden ist. Und zwar übergreifend über die Ressourcen Strom, Wasser, Gas und Wärme.

Wo kann das Joint Venture diese Entwicklung unterstützen?

Christian Holzinger: aqotec liefert seit Jahrzehnten bewährte Technologien und Systemlösungen für die Fernwärme. Mit Rittmeyer als Partner entstehen entscheidende Synergien – durch die Nähe zu den weiteren Branchen der Ver- und Entsorgung, durch das Know-how im Aufbau von sicheren Informations- und Kommunikationsnetzen für kritische Infrastrukturen, durch den qualifizierten Service vor Ort.

Andreas Borer: Erwähnenswert ist auch die Nähe zu unserer Schwesterfirma in der Brugg-Gruppe, den Brugg Pipesystems. Sie gehören zu den weltweit führenden Anbietern flexibler und starrer Fernwärmerohre und können unser Angebot entsprechend ergänzen. Auch solche Rohre sind inzwischen in Informations- und Kommunikationsnetze integriert, zum Beispiel zur Leck- und Temperaturüberwachung. Deshalb müssen auch sie integraler Bestandteil des Gesamtkonzepts zur IKT-Sicherheit sein. Und da wissen wir wie wohl kaum ein Zweiter, worauf zu achten ist.

Wo sehen Sie die nächsten Entwicklungsschritte der Branche?

Christian Holzinger: Der entscheidende Faktor für einen nachhaltig wirtschaftlichen Betrieb bleibt die Sekundärseite bis zum Verbraucher. Nur: Diesen Mehrwert müssen einige Wärmenetzbetreiber erst noch erkennen und verinnerlichen. Und um ihn anbieten zu können, braucht es neue Werkzeuge und ganz neue Kompetenzen und Geschäftsmodelle.

«Der entscheidende Faktor für einen nachhaltig wirtschaft­lichen Betrieb eines Fernwärme­netzes ist die Sekundär­seite – bis zum letzten Verbraucher.»

Christian Holzinger, geschäftsführender Gesellschafter, aqotec GmbH

Andreas Borer: Die Fernwärmetechnik wird innerhalb der Energiestrategie weiter an Bedeutung gewinnen, auch wenn es noch Herausforderungen zu meistern gilt. Mit den Produkten von aqotec haben wir jedenfalls genau die richtigen Antworten darauf. Hinzu kommt, dass aqotec in Österreich selbst eigene Wärmeverbünde betreibt. Zudem projektieren sie Anlagen als Planungsdienstleister. Damit kennen sie die täglichen Herausforderungen der Betreiber wie kaum ein Zweiter. Und diese Erfahrungen fliessen 1:1 in die Produktentwicklung ein. Eine zu unserem Joint Venture vergleichbare Konstellation gibt es im Wettbewerb schlicht nicht.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Bildnachweis: iStock/nimis69 (Titelbild)