transfer Ausgabe 02 | 2016

Bewährte Trinkwasser-Turbinierung

Alternative Energiegewinnung seit 50 Jahren

Die  Gemeinde Mels im St. Galler Oberland setzt in ihrem Elektrizitäts- und Wasserwerk schon seit Jahrzehnten auf die Turbinierung von Trinkwasser. Pro Jahr werden so rund vier Millionen Kilowattstunden an Öko-Strom erzeugt, die grösstenteils ins öffentliche Netz eingespeist werden. Das hat nicht nur positive Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf die Optimierung des Gesamtsystems.

Bereits im Jahr 1966 wurden von der Wasserversorgung Mels die ersten Trinkwasserkraftwerke erbaut und in Betrieb genommen. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten kamen noch weitere hinzu, die nun Tag und Nacht wertvolle erneuerbare Energie liefern und gleichzeitig den überschüssigen Leitungsdruck beim Reservoir-Zufluss abbauen.

Langjährige Erfahrung

Das Prinzip von Trinkwasserkraftwerken basiert auf dem Höhenunterschied zwischen den Quellen und dem Versorgungsgebiet. Beim Einleiten des Wassers ins Reservoir entsteht durch die hohe Geschwindigkeit viel Druck. «Es ist wichtig, diese Treib-Energie in geeigneter Form abzubauen, da ansonsten die Rohrleitungen Schaden nehmen könnten», erklärt Kurt Ackermann, Brunnenmeister im EW Mels. Um dem entgegenzuwirken, werden Druckbrecheranlagen eingebaut, oder – wie im EW Mels – Turbinen installiert. «Seit der Inbetriebnahme des ersten Trinkwasserkraftwerks 1966 haben wir damit nur positive Erfahrungen gemacht», sagt Kurt Ackermann. Die Druckbrecheranlagen haben nämlich einen entscheidenden Nachteil: Die wertvolle potenzielle Energie des Wassers wird ausschliesslich in nutzlose Wärme umgewandelt. Des Weiteren führt dies zu einer erhöhten Lärmemission und kann zum Verschleiss der Armaturen beitragen.

Viele Vorteile

Trinkwasserkraftwerke können den Betreibern einen grossen Mehrwert bei kleinem Aufwand liefern, da die benötigten Gebäude und Druckrohrleitungen meist schon vorhanden sind. «In der Regel kann jede Quellwasserversorgung das zufliessende Wasser energetisch nutzen. Auch das Überschusswasser – und zwar beim Wegfliessen oder Ableiten in das nächste Gewässer», sagt Kurt Ackermann. Seiner Erfahrung nach fördern die Quellen über das Jahr mehrheitlich Überschusswasser, das nicht gespeichert werden kann und somit wieder ungenutzt wegfliesst. «Dadurch bleibt leider viel Energie ungenutzt», ergänzt der Brunnenmeister.

Trinkwasserkraftwerke liefern - dank installierter Turbinen - Tag und Nacht wertvolle erneuerbare Energie und bauen gleichzeitig den überschüssigen Leitungsdruck beim Reservoir-Zufluss ab. Die benötigten Gebäude und Druckrohrleitungen sind im Wasserversorgungsnetz meist schon vorhanden.

Potenzial Trinkwasser

Die besondere Herausforderung der Trinkwasserturbinierung sieht Ackermann in der richtigen Auslegung der Anlage. «Dafür werden sehr gute Kenntnisse der Quellerträge und deren Schüttungsverlauf über das ganze Jahr benötigt», erklärt der Brunnenmeister. Da die Trinkwasserversorgung jederzeit gesichert sein muss, ist das Zusammenspiel mit dem Leitsystem besonders wichtig. Die Installation sollte deshalb gut durchdacht und aufeinander abgestimmt sein. Beim Prozessleitsystem und der Automatisierung ihrer Anlage setzen sie deshalb seit einigen Jahren auf Rittmeyer. Zur Überwachung der Wasserversorgung und Turbinierung befinden sich unter anderem 51 RIFLEX M1 Fernwirk- und Automatisierungsstationen im Einsatz.

Eine Hauptmotivation für die jahrzehntelange Trinkwasserturbinierung des EW Mels sieht Ackermann in der Selbstversorgung, also der Abdeckung des Eigenbedarfs an benötigter Energie in der Wasserversorgung. Mit der ins Stromversorgungsnetz eingespeisten Überschussleistung können zudem Einnahmen generiert werden, was einen zusätzlichen Mehrwert für den Betreiber darstellt.

«Seit der Inbetriebnahme des ersten Trinkwasserkraftwerks 1966 haben wir nur positive Erfahrungen gemacht.»

Neben den positiven Umweltaspekten sieht der Brunnenmeister aber noch einen weiteren Vorteil: «Die Trinkwasser-Turbinierung in der eigenen Wasserversorgung sorgt im Berufsalltag für viele Herausforderungen. Vor allem in Bezug auf die Optimierung des Gesamtsystems.» Und die dürfte auch in Zukunft nicht weniger werden. Mit dem KW Langwiese wurde im Jahr 2015 nämlich bereits das fünfzehnte Trinkwasserkraftwerk der EW Mels erbaut und in Betrieb genommen.