transfer

‹Atom- und Kohleausstieg›, ‹Dekarbonisierung›, ‹Klimawandel› – den Begriffen gemeinsam ist, dass sie eine tiefgreifende Umgestaltung unseres gesamten Energiesystems implizieren. Die Anteile der Strom- und Wärmeerzeugung aus den knapper werdenden fossilen Energieträgern, also Erdöl, Kohle oder Gas, müssen durch solche aus erneuerbaren Energien ersetzt werden. Sonst gelingt die Dekarbonisierung nicht. Und ohne diese werden wir die Klimaziele nicht erreichen. Die grosse Stärke der (heute) konventionellen Kraftwerke ist ihre Bandlastfähigkeit. Sie sind planbar und steuerbar, liefern kontinuierlich Energie, rund um die Uhr, sommers wie winters. Strom aus Solar- und Windkraft ist das eher weniger, seine Erzeugung ist so fluktuierend wie der Energieträger selbst. Dafür gibt es Erneuerbare im Überfluss: Das Max-Planck-Institut für Meteorologie hat ausgerechnet, dass beispielsweise die Sonne in nur 3 Stunden so viel Energie liefert, wie die gesamte Menschheit in einem Jahr verbraucht. Auch Energie aus Wind und Wasser haben wir mehr als genug. Nicht zuletzt deshalb sprechen Forscher davon, dass sich unser globales Energiesystem in den nächsten hundert Jahren von einem System der Knappheit in ein System des Überflusses wandeln wird. Aber: Der Umbau unseres Energiesystems ist eine Mammutaufgabe, die Koordination der dazu notwendigen Massnahmen hochkomplex. Dabei wird es die Technologie allein nicht richten können. Politische Rahmenbedingungen müssen angepasst, Fragen der Wirtschaftlichkeit geklärt, ökologische Vereinbarkeiten geprüft werden. Die Liste der offenen Fragen ist lang, der vorgegebene Zeitrahmen – Stichwort: Energiestrategie 2050 – eng. Das bestätigt auch Prof. Dr. Gabriela Hug, Leiterin des Instituts für elektrische Energieübertragung und Hochspannungstechnik an der ETH Zürich. Im Interviewbeitrag ab Seite 6 schildert sie, wie ihres und viele weitere Forschungsteams versuchen, mit immer vielschichtigeren Modellen Antworten für diese grenzüberschreitenden Herausforderungen zu finden. Im Kontext der Veränderung der Energienetze taucht auch immer wieder die Frage nach notwendigen Reserven auf. Ein mögliches Potenzial erschliesst das trinationale Projekt ‹Poweralliance›. Projektleiter Yves Wymann zeigt ab Seite 16 eine Möglichkeit, wie bislang brachliegende Netzkapazität einer operativen und damit auch finanziellen Verwertung zugeführt werden kann. Eine weitere potenzielle Antwort liefert das Wasser- und Elektrizitätswerk Walenstadt (WEW) mit seinem vom Bundesamt für Energie (BFE) geförderten Leuchtturmprojekt ‹Quartierstrom›: 37 Haushalte handelten im vergangenen Jahr ihren überschüssigen Strom aus den eigenen Solaranlagen direkt in der Nachbarschaft. Christian Dürr, Leiter des WEW, berichtet ab Seite 20 von den gemachten Erfahrungen. Vielversprechend ist auch der Ansatz, die verschiedenen Energiesektoren zu vernetzen – die ‹Sektorkopplung›. Diese Technologien, auch als ‹Power-to-X› bekannt, machen es möglich, elektrische Energie in eine speicherbare Form, wie z. B. Gas, zu überführen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt nutzbar zu machen. Nadine Brauchli, Bereichsleiterin Energie im Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) bedauert allerdings, dass in der Energiepolitik nach wie vor die dazu notwendige gemeinsame Betrachtung der Sektoren fehle. Weshalb für die Expertin gerade jetzt der richtige Zeitpunkt wäre, diese Haltung zu überdenken, erklärt sie ab Seite 10. Eine vielversprechende Kombination der Energiesektoren könnte sich mit dem gezielten Ausbau der thermischen Netze entwickeln. Für Querverbundunternehmen entstehen dabei völlig neue Möglichkeiten der energetischen Gesamtoptimierung. Um diese Vorhaben im Schweizer Markt bestmöglich zu begleiten, haben wir uns in einem Joint Venture mit der österreichischen aqotec GmbH zusammengetan. Gemeinsam bieten wir daraus Komplettlösungen für die Fern- und Nahwärmetechnik an. Lesen Sie mehr hierzu ab Seite 28. Andreas Borer, CEO der Rittmeyer AG, und Christian Holzinger, geschäftsführender Gesellschafter der aqotec GmbH, sprechen zudem ab Seite 30 über den Markt und das Potenzial dieses Zusammenschlusses für Betreiber. Die sichere und zugleich ökologisch und volkswirtschaftlich ‹richtige› Energieversorgung muss jedenfalls langfristig geplant sein. Das zeigten viele unserer Gespräche, die wir in diesem Magazin festgehalten haben. Sie zeigten auch, dass ein ernsthafter, konstruktiver Dialog notwendig ist. Bei den Energieversorgern, aber auch in unserer Gesellschaft. Und dies besser heute als morgen. Ich hoffe, dass wir Ihnen mit der neuen Ausgabe des ‹transfer› einige Anregungen dazu liefern können. Suchen Sie das Gespräch, untereinander, innerhalb und zwischen den Branchen, mit uns. Wir freuen uns darauf. Herzlichst Ihr André Kaufmann, Bereichsleiter Wasserkraft

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